Leadership

Der Start ist erst der Anfang – Mitarbeiterbindung ist eine Langstreckendisziplin

Recruiting und Onboarding als strategischer Prozess

Als Personalberaterin sehe ich den Recruitingprozess niemals losgelöst, sondern immer in direkter Verbindung mit der Einarbeitungszeit des neuen Mitarbeitenden. Wie wichtig ein erfolgreicher Start eines neuen Mitarbeiters nicht nur von der Passgenauigkeit auf die Stelle abhängt, sondern entscheidend von der Art und Weise, wie er in das Unternehmen integriert wird, macht Onboarding zum wesentlichen Erfolgsfaktor.

Und genau hier kommt das strategische Onboarding ins Spiel. Denn der Onboarding-Prozess ist mehr als nur das Durchlaufen von Formalitäten am ersten Tag. Es handelt sich um einen strukturierten und ganzheitlichen Ansatz, der dazu dient, neue Mitarbeitenden zu empfangen, einzuarbeiten und zu integrieren.

Von der Vorbereitung des Onboarding-Prozesses über den ersten Tag bis hin zu den ersten Wochen werde ich nachfolgend wichtige Aspekte beleuchten und Beispiele benennen, die den Erfolg eines gelungenen Onboardings sicherstellen.

Onboarding wichtiger denn je

In 2023 – nach den pandemischen Einschränkungen und den daraus leider oft mangelhaften, virtuellen Onboarding-Maßnahmen – können und müssen HR-Verantwortliche und Geschäftsführer endlich wieder Onboarding systematisch und gezielt nutzen.

Für Verantwortliche, denen fundierte Zahlen und Ergebnisse wichtig sind, finden am Ende einen entsprechenden Link und die relativ aktuelle Umfrage von Softgarden. In allen Fällen beweisen die Ergebnisse die Notwendigkeit des „richtigen“ An-Bord-Nehmens.

Bei der Umfrage von Softgarden unter 2.196 Bewerbenden haben 2% in 2018 (also noch vor der Coronapandemie) ihrem neuen Arbeitgeber bereits nach max. 100 Tagen den Rücken gekehrt. Mittlerweile (2022) sind es 18%, die sich in den ersten Wochen im neuen Job zur Kündigung entschließen. Weitere 17% sagen, dass sie zumindest einmal kurz vor einer Kündigung standen.

Bedeutung des Onboardings für Unternehmen

Ich möchte es nicht immer wieder betonen und alles damit begründen, aber angesichts des Fachkräftemangels ist ein strukturierter Onboarding-Prozess essentiell und wesentlicher Bestandteil der Candidate Journey. Er minimiert die Kosten des Recruitings, verhindert Unruhe im Team durch schnelle Mitarbeiterwechsel und reduziert die finanziellen Belastungen bei vorzeitigem Ausscheiden. Ein erfolgreiches Onboarding steigert die Bindung und Zufriedenheit neuer Mitarbeiter, fördert die Stabilität im Unternehmen und erhöht die Produktivität. Investitionen in ein effektives Onboarding zahlen sich langfristig aus, indem sie die Fluktuation reduzieren und das Unternehmen wettbewerbsfähig halten.

Nach dem oft mühsamen Suchen und dem kostenintensiven Recruiting, scheint es fahrlässig, den Rest dem Zufall zu überlassen. Die Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag ist kein Freifahrtschein für „Vernachlässigung“. Denn eigentlich wäre es so einfach mit gut geplanten Onboarding-Maßnahmen neuen Mitarbeitenden zu ermöglichen, ihre – so dringend benötigten – Fähigkeiten schnell einzusetzen und sich in ihre Aufgaben einzufinden.

Darüber hinaus fördert ein strukturiertes Onboarding die Integration neuer Mitarbeiter in das bestehende Team, indem es Möglichkeiten zum Aufbau von Beziehungen und zur Zusammenarbeit bietet. Dies stärkt das Engagement und die Zusammengehörigkeit im Unternehmen.

Vorteile eines strukturierten Onboarding-Prozesses im Überblick

1. Verbesserte Mitarbeiterbindung
Ein gutes Onboarding stärkt die Bindung neuer Mitarbeiter an das Unternehmen, erhöht ihre Zufriedenheit und reduziert die Wahrscheinlichkeit eines frühzeitigen Ausscheidens.

2. Steigerung der Produktivität
Durch eine gezielte Einarbeitung und Integration können neue Mitarbeiter schneller ihre Fähigkeiten einsetzen, sich in ihre Aufgaben einfinden und somit die Produktivität steigern.

3. Bessere Mitarbeiterleistung
Ein erfolgreiches Onboarding ermöglicht es den Mitarbeitern, ihre Rolle, Verantwortlichkeiten und Erwartungen klar zu verstehen, was zu einer verbesserten Leistung beiträgt.

4. Stärkung der Unternehmenskultur und -werte
Durch die Einführung in die Unternehmenskultur und -werte im Onboarding-Prozess fühlen sich neue Mitarbeiter schneller mit dem Unternehmen verbunden und können sich besser identifizieren.

5. Förderung des Teamgeistes
Ein strukturiertes Onboarding bietet die Möglichkeit, Beziehungen zu Kollegen aufzubauen und in das Team integriert zu werden, was das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt und die Zusammenarbeit fördert.

6. Stärkung des Arbeitgeberimages
Ein positives Onboarding-Erlebnis trägt zur positiven Reputation des Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber bei, was die Anziehungskraft auf qualifizierte Fachkräfte erhöht.

7. Reduzierung der Fluktuation
Durch die gezielte Unterstützung und Betreuung neuer Mitarbeiter im Onboarding-Prozess wird die Wahrscheinlichkeit verringert, dass sie das Unternehmen frühzeitig verlassen, was Kosten und Unruhe im Team reduziert.

Ein strukturiertes Onboarding bietet somit eine Vielzahl von Vorteilen für Unternehmen und neue Mitarbeiter gleichermaßen, indem es eine solide Grundlage für den Erfolg und das Wachstum schafft.

Nicht vergessen – Kontakt halten mit Pre-Onboarding

Noch ein Hinweis – halten Sie Kontakt in der Zeit zwischen Vertragsunterschrift und dem ersten Arbeitstag. Nicht zuletzt, um Job-Ghosting vorzubeugen – hierzu mehr im Blogbeitrag „Spurlos verschwunden“.
Klären Sie, welche Rolle übernehmen die direkten Führungskräfte, Kollegen, HR-Verantwortlichen. Wie wird der Kontakt aufrecht erhalten – mit Telefonaten, persönlich gestalteten Mails und ggf. ein Willkommenspaket vorab per Post?

Erforderliche Ressourcen

Einarbeitungsplan

Die Basis jedes erfolgreichen Einarbeitens und doch meist nur in den Köpfen, aber nicht dokumentiert und strukturiert. Ein Durchwurschteln und ins kalte Wasser werfen waren gestern. Das genügt nicht mehr. Der Plan muss dokumentiert und für alle verfügbar sein. Nur so sind Effizienz und Transparenz möglich. Einige der wichtigsten Punkte sind:

Verantwortlichkeiten

  • Wer ist im Unternehmen für das Onboarding zuständig?
  • Wer ist direkter Ansprechpartner des neuen Mitarbeitenden?
  • Wie soll der zeitliche Ablauf gestaltet werden?
  • Wer sind die Ansprechpartner für welche Themen?
  • Sind diese Ansprechpartner intern über die neuen Mitarbeitenden informiert und kennen sie ihre Rolle im Onboarding?
  • Existiert eine Übersicht mit den Kontaktdaten, Rollen und Verantwortlichkeiten/Zuständigkeiten?

Wichtig ist, dass ein Ansprechpartner definiert ist, der die Prozesse im Blick hat und dem die erforderlichen Zeitkontingente zur Verfügung gestellt werden.

Materialien

  • Welche Arbeitsmaterialien werden benötigt?
  • Wer beschafft sie und wie kommen sie zu den neuen Mitarbeitenden?
  • Welche digitalen Medien kommen zum Einsatz und sind die Zugänge freigeschaltet?

Strukturen

  • Welche Meetings sind geplant, an denen der neue Mitarbeiter schon teilnehmen kann?
  • Wer stellt die Einladung zu den Meetings sicher?
  • Mit welchem Medium und welcher Agenda?
  • Welche Möglichkeiten für informelle Treffen gibt es, wie z.B. gemeinsame Mittagspausen?

Kultur/Werte

  • Wer könnte Mentor sein? Wer aus dem Team ist hierfür geeignet und hat Spaß daran?
  • Welche Feedbackschleifen sind sinnvoll und wie kann das Feedback gestaltet werden?
  • Worauf wird besonders Wert gelegt? Wie ist der Umgang miteinander, nicht zuletzt gibt es eine Duz-Kultur?

Der erste Tag

Der erste Tag ist von entscheidender Bedeutung für den erfolgreichen Start. Mit ihm baut sich eine erste Bindung an das Unternehmen auf. Aber selbst wenn er gelingt, kann er nicht über eine weitere unstrukturierte, chaotische und unkoordinierte Einarbeitung ab Tag 2 hinwegtäuschen.

Auf jeden Fall gehören ein herzlicher Empfang, die Vorstellung des Teams und eine umfassende Einführung in die Unternehmenskultur und -werte auf die Agenda. Sie schaffen eine positive Grundlage für die zukünftige Zusammenarbeit. Darüber hinaus ist es wichtig, organisatorische Aspekte wie Arbeitszeiten und -regeln zu klären, um dem neuen Mitarbeiter Orientierung und Sicherheit zu geben.

Beispiele für den ersten Tag

Der erste Tag im Rahmen des Onboarding-Prozesses kann zu etwas Besonderem werden, indem besondere Maßnahmen ergriffen werden. Hier sind einige konkrete Beispiele:

Persönlicher Empfang
Ein Vertreter des Unternehmens, wie beispielsweise der Vorgesetzte oder ein Mitglied des Teams, kann den neuen Mitarbeitenden persönlich am Eingang empfangen, um ihm das Gefühl der Wertschätzung zu vermitteln. Dabei könnte ein Schild mit „Willkommen Frau xy im Team“ ihn begrüßen und auch allen anderen zeigen, wer heute seinen ersten Tag hat.

Individuelle Begrüßung
Eine personalisierte Willkommensnachricht oder ein Begrüßungspaket, das auf den Hobbies oder Interessen des neuen Mitarbeitenden basiert, zeigt Aufmerksamkeit.

Teamvorstellung
Nicht immer möglich, aber vielleicht kann sich das gesamte Team versammeln. Jedes Teammitglied stellt sich mit ein paar Sätzen vor, vor allem welche Rolle es im Unternehmen spielt.

Mentor oder Buddy
Ein erfahrener Mitarbeiter kann als Mentor oder Buddy fungieren und dem neuen Mitarbeitenden während der ersten Tage oder Wochen zur Seite stehen. Dieser Mentor kann ihn durch den Arbeitsalltag führen, Fragen beantworten und bei der Integration unterstützen.

Unternehmenskultur und -werte
Eine umfassende Einführung in die Unternehmenskultur und -werte kann erfolgen, indem beispielsweise eine Präsentation oder ein interaktiver Workshop stattfindet. Dies ermöglicht es dem neuen Mitarbeitenden, die Unternehmensphilosophie besser zu verstehen und sich damit zu identifizieren.

Willkommenslunch oder -kaffee
Ein gemeinsames Mittagessen oder eine Kaffeepause mit dem Team oder den direkten Kollegen (fest vorgeplant und verbindlich) ermöglicht informelle Gespräche und hilft dabei, persönliche Verbindungen aufzubauen.

Indem der erste Tag mit besonderen Gesten und Maßnahmen versehen wird, wird dem neuen Mitarbeiter signalisiert, dass er geschätzt wird und von Anfang an Teil des Teams ist.

Die ersten Wochen

In den ersten vier bis sechs Wochen des Onboarding-Prozesses können verschiedene Maßnahmen helfen, den neuen Mitarbeitenden optimal einzuarbeiten und zu integrieren. Hier sind einige konkrete Beispiele:

Einarbeitungsplan
Ein strukturierter (ausgedruckter und/oder digitaler) Einarbeitungsplan zeigt ihm, welche Aufgaben, Ziele und Lernziele für die ersten Wochen ihn erwarten. Dies ermöglicht es dem neuen Mitarbeitenden, den Fortschritt zu verfolgen und sich auf seine Aufgaben zu fokussieren. Teil des Planes sind auch Informationen zu Arbeitsabläufen und Tools/Systeme, die verwendet werden (Zugangsberechtigungen nicht vergessen).

Schulungen und Trainings
Schulungen und Trainings können durchgeführt werden, um erforderliches Fachwissen für seinen Aufgabenbereich zu vermitteln. Dies kann in Form von internen Schulungen, externen Seminaren oder Online-Trainings erfolgen. Hierfür ist ausreichend Zeit einzuplanen.

Regelmäßige Check-Ins
Darauf möchten wir ganz besonders verweisen – denn nur regelmäßige Gespräche mit dem Vorgesetzten bieten die Möglichkeit, den Fortschritt zu besprechen, Fragen zu klären und Feedback zu geben. Dies fördert die Kommunikation und ermöglicht eine kontinuierliche rechtzeitige Unterstützung, bevor erste Unzufriedenheiten entstehen.

Teamprojekte
Die Einbindung des neuen Mitarbeitenden in bestehende Teamprojekte ermöglicht es ihm, seine Fähigkeiten einzusetzen, mit anderen zusammenzuarbeiten und Beziehungen aufzubauen.

Feedbackkultur
Eine offene Feedbackkultur sollte gefördert werden, indem sowohl das Feedback des neuen Mitarbeitenden als auch das Feedback des Teams und der Vorgesetzten eingeholt wird. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Verbesserung und stärkt das Vertrauen.

Diese konkreten Maßnahmen während der ersten Wochen des Onboarding-Prozesses tragen dazu bei, dass sich der neue Mitarbeiter schnell in das Unternehmen und das Team integriert, sein Wissen und seine Fähigkeiten entwickelt und sich in seiner Rolle wohl fühlt.

Mein FAZIT: Das Ziel der Einarbeitung ist es, die neuen Mitarbeitenden gut an das Unternehmen zu binden und schnell produktiv werden zu lassen. Es geht nicht darum, dass das Onboarding „perfekt“ und bis ins kleinste Detail organisiert sein muss. Eine Struktur sollte jedoch in jedem Fall erkennbar und Ansprechpartner definiert sein sowie die notwendigen Arbeitsmittel termingerecht zur Verfügung stehen.

Es ist davon auszugehen, dass neue Mitarbeitende ihr Können schnellstmöglich unter Beweis stellen und gleichfalls mit ihrer Leistung zur Produktivität beitragen wollen. Eine strukturierte und wertschätzende Einarbeitung, die auch mit allen intern Beteiligten gut abgestimmt ist, schafft die Voraussetzung dafür, dass sich die „Neuen“ gleich von Anfang an gut angenommen fühlen und ist somit zum Nutzen beider Seiten.

Gerne unterstützen wir unsere Kunden auch bei der Bindung von neuen Leistungsträgern. Nehmen Sie Kontakt zu uns auf, wir freuen uns auf Ihre Nachricht.

Zum Weiterlesen
Ausführliche, sehr überzeugende Zahlen zum Zusammenhang von Onboarding mit Mitarbeiter Engagement finden Sie
https://blog.gitnux.com/de/mitarbeiter-onboarding-statistiken/


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