Die Plage der unnötigen Meetings: Wie Sie Ihre Zeit sinnvoller nutzen können
Jeder war schon mal drin und fragte sich: Warum?
So alt wie das Versammeln von Menschen, um etwas zu besprechen, zu diskutieren und letzendlich zu entscheiden, so alt ist das Thema der unnötigen oder ineffizienten Meetings. Selbst für erfahrene Führungskräfte sind unnötige Meetings ein allzu vertrautes Ärgernis. Immer noch zu viele dieser zeitraubenden Veranstaltungen verursachen nicht nur erhebliche Kosten, sondern beeinträchtigen die Produktivität und die Zufriedenheit der Mitarbeiter. In diesem Blogbeitrag gehe ich auf das Thema der unnötigen Meetings ein, vor allem, weil ich aus meiner Zeit als junge Führungskraft viele dieser Meetings erlebt, aber auch deren Gegenmaßnahmen durchgesetzt habe.
Das Thema ist und bleibt eine weit verbreitete Herausforderung, die sich auf Ihre Organisation auswirkt und vor allem, der Sie gezielt begegnen können – wenn es auch nicht immer so radikal sein muss, wie in nachfolgenden Beispielen. Entdecken Sie vielmehr bewährte Strategien, um Zeit und Ressourcen sinnvoller zu nutzen.
Zeit ist Geld und Meetings kosten beides
Überflüssige oder ausufernde Meetings können für Unternehmen erhebliche Kosten verursachen, die sich in verschiedenen Bereichen bemerkbar machen, einige kann man in Euro beziffern, bei anderen ist das schwieriger:
Lohnverschwendung
Am einfachsten sind die Lohnkosten aller Beteiligten beim Meeting und für die Vorbereitung des Meetings zu berechnen.
Zeitverschwendung
Für die Mitarbeitenden, die nicht hätten dabei sein müssen oder mit weniger Zeitaufwand, muss zu den Lohnkosten, noch der Verlust an Leistung in dieser Zeit bemessen werden. Denn diese Zeit hätten sie produktiver für andere Aufgaben nutzen können. Hier könnte man den Nutzwert bestimmen, was diese Person in dieser Zeit geleistet hätte und was deren entgangene Leistung an Folgen (Verzörgerungen, Effizienzverlust, Terminverschiebung, Überstunden) nach sich zieht.
Ressourcenverschwendung
Die Vorbereitung von Präsentationen, Dokumenten und Materialien für Meetings erfordert Ressourcen. Ebenso muss ein Meetingraum auf Abruf jederzeit verfügbar gehalten werden. Hier fallen Strom, Reinigung, Bewirtung, Präsentationstechnik etc. an und das immer nur für eine kurze Zeit der Nutzung in Relation zur Verfügbarkeit.
Reise- und Technologiekosten
Bei virtuellen Meetings fallen (zumindest am Anfang) Kosten für Technologie und Software an, bzw. für Lizenzen, Updates, Schulungen, Wartungen etc. auch fortlaufend. Bei physischen Meetings können für auswärtige Teilnehmende Reise- und Spesenkosten entstehen.
Mangelnde Produktivität
Keiner hat Zeit zu verschenken und sitzt zum Spaß in einem Meeting, das ihn nicht betrifft oder unnötig viel Zeit in Anspruch nimmt. Darunter leidet die Motivation der Mitarbeitenden, was sich langfristig auf die Produktivität auswirken kann.
Aber ob ein Meeting sinnvoll ist oder nicht, ist nicht nur eine Kostenfrage. Die positiven Aspekte sind, nicht zuletzt gelernt und erfahren aus der Zeit der Pandemie-Einschränkungen, definitiv vorhanden. Sich sehen, Zeit miteinander verbringen, die Stimmung der Kollegen erspüren, ein Teamgefühl entwickeln – all diese Aspekte sind wichtig für das Miteinander und das Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen und damit letztlich auch für die Produktivität.
Meetings sind durchaus sinnvoll und wenn nicht, gibt es Gründe.
Mögliche Gründe für unnötige Meetings
Hier sind meine Top 6 Gründe, damals wie heute, die es aufzuspüren gilt:
Unnötig, weil weder Ziel noch Themen!
Meetings ohne klares Ziel können leicht aus dem Ruder laufen und zu unnötigen Diskussionen führen. Gleiches gilt für ein Meeting ohne Agenda. Nutzen Sie eine Agenda mit den wichtigsten Tagesordnungspunkten.
Zieldefinition und Agenda gehören zusammen und helfen auch den eingeladenen Personen, zu entscheiden, ob eine Teilnahme sinnvoll ist bzw. in der Vorbereitung.
Wiederholung schafft Gewohnheit
Unternehmen bzw. Mitarbeitende gewöhnen sich schnell an eine regelmäßige Besprechung an einem bestimmten Tag: Wir treffen uns doch jeden Mittwoch um 15 Uhr!
Diese Macht der Gewohnheit verhindert, eine bestimmte Vorgehensweise zu hinterfragen. Das betrifft auch die Form des Meetings – ob virtuell oder in Präsenz. Unternehmen halten an starren Meetingstrukturen fest, selbst wenn alternative Kommunikationsmittel effektiver wären.
Statusdenken
Es ist oft unklar, wer für die Einberufung und Leitung von Meetings verantwortlich ist, was zu überflüssigen Treffen führen kann. Wen, wann und wo Herr Müller oder Frau Schmidt einladen, bestimmen sie obwohl sie vielleicht gar nicht für das Thema verantwortlich sind. Manchmal empfinden Mitarbeitende durch einen vollen Terminkalender eine gewisse Wichtigkeit.
Unsicherheit
Angst vor (alleinigen) Entscheidungen kann in einigen Fällen dazu führen, dass Meetings genutzt werden, um Entscheidungen zu vermeiden oder Verantwortung abzugeben. Wenn alle dafür sind, bin ich nicht allein schuld, wenn es die falsche Entscheidung war.
Alternativlos
Fehlende effektive Kommunikationskanäle im Unternehmen können dazu führen, dass Meetings als einziger Weg zur Informationsweitergabe angesehen werden. Man spart sich Entscheidungen auf (siehe o.g. Punkt) und sammelt es für ein ausuferndes Meeting ohne Fokus.
Zwang
Unternehmenskultur und Hierarchie können dazu beitragen, dass Mitarbeiter sich verpflichtet fühlen, an Meetings teilzunehmen, selbst wenn es nicht notwendig ist. Dabei sollten Führungskräfte ihre Mitarbeitenden ermuntern, die Teilnahme (begründet) abzulehnen.
Die Identifizierung der unternehmensinternen Gründe ist der erste Schritt zur Verbesserung der Meetingeffizienz und zur Reduzierung unnötiger Besprechungen. Nur so können Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um diese Hindernisse zu überwinden und ihre Meetings zielführender zu gestalten.
Strategien zur Vermeidung unnötiger Besprechungen
Hier einige, aus eigener Erfahrung als effektiv erlebte, praktische Tipps und Ansätze, um unnötige Meetings zu reduzieren oder zu verhindern.
ZIEL DEFINIEREN
Bevor Sie ein Meeting einberufen, stellen Sie sicher, dass Sie klare Ziele haben.
Was soll am Ende des Meetings erreicht werden? Wer hat welche Aufgabe bis wann umzusetzen?
Definieren Sie dieses Ziel und kommunizieren Sie es vorab an die Teilnehmer auf der Agenda. Die SMART-Formel kann hier gute Dienste leisten, um klar und deutlich auf den Punkt zu kommen.
NOTWENDIGKEIT PRÜFEN
Wer ein Meeting einberuft, muss ein Ziel und damit eine Rechtfertigung für das Meeting formulieren. Er muss kritisch überlegen, ob ein Meeting wirklich erforderlich ist, um die Ziele zu erreichen. Gibt es alternative Wege, um Informationen auszutauschen oder Entscheidungen zu treffen?
AGENDA ERSTELLEN
Eine Agenda ist Pflicht, selbst wenn es nur einen Tagesordnungspunkt (TOP) gibt, ist eine Agenda erforderlich. Selbst dieser einer sollte sich untergliedern in:
- Einführung in den TOP
- Vorstellung Maßnahmen, Alternativen, Ideen
- Diskussion und Fragen
- Entscheidungen oder Maßnahmen
- Nächste Schritte
- Zusammenfassung
Eine strukturierte Agenda ermöglicht eine klare Organisation des Meetings und stellt sicher, dass alle relevanten Informationen abgedeckt werden. Dies kann dazu beitragen, die Effizienz und den Nutzen des Meetings zu maximieren.
Bei der Anzahl der Agendapunkte sollte gelten: „reduce to the max“ und Qualität schlägt Quantität!
GRUPPENGRÖSSE BEGRENZEN
Laden Sie nur die Personen ein, die wirklich zum Thema beitragen oder von den Informationen im Meeting profitieren. Große Gruppen können die Effizienz beeinträchtigen (siehe weiter unten die „Zwei-Pizza-Regel“).
DAUER FESTLEGEN
Legen Sie eine klare Zeitbegrenzung für das Meeting fest und halten Sie sich daran. Dadurch wird der Druck erhöht, auf den Punkt zu kommen und Zeitverschwendung zu verhindern.
GUT VORBEREITEN
Sowohl Organisatoren als auch Teilnehmende sollten sich gründlich auf das Meeting vorbereiten. Das bedeutet, Materialien im Voraus zu verteilen und sich mit den Themen vertraut zu machen.
ALTERNATIVEN PRÜFEN
Erwägen Sie den Einsatz von E-Mails, Chat-Nachrichten oder Collaboration-Tools für die Informationsweitergabe oder Diskussionen, die nicht unbedingt ein persönliches Treffen erfordern.
MEETINGKULTUR HINTERFRAGEN
Setzen Sie regelmäßige Überprüfungen Ihrer Meetings an, um sicherzustellen, dass sie effektiv sind. Wenn ein Meeting nicht den gewünschten Nutzen bringt, überdenken Sie seine Notwendigkeit. Bitten Sie die Teilnehmer nach Meetings um Feedback. Dies hilft dabei, Schwachstellen zu erkennen und die Meetingqualität kontinuierlich zu verbessern.
Wie Unternehmen ihre Meetingkultur gestalten
Beispiele erfolgreicher Unternehmen, die effektive Maßnahmen zur Reduzierung von unnötigen Meetings ergriffen haben – manchmal sehr radikal:
Leere Kalender bei Shopify
Anfang 2023 hat Shopify hat eine Reihe radikaler Änderungen in Bezug auf Meetings und Kommunikation im Unternehmen durchgesetzt. Es wurde beschlossen, sämtliche wiederkehrenden Meetings mit mehr als zwei Teilnehmenden dauerhaft zu streichen. Und ab sofort ist der Mittwoch komplett meetingfrei, um den Mitarbeitern ungestörte Arbeitszeit zu ermöglichen.
Treffen mit mehr als 50 Personen werden auf den Donnerstag verschoben und in ein Sechs-Stunden-Fenster gelegt. Es ist nur ein solches Meeting pro Woche erlaubt, um die Effizienz zu gewährleisten.
Führungskräfte sollen die Mitarbeiter ermutigen, Meetings abzulehnen, die sie als unwichtig erachten. Sie sollen sich aus großen internen Chat-Gruppen herausnehmen.
Interessanter Ansatz – Shopify hat eingeführt, dass Meetings mit einem digitalen Preisschild versehen werden. Teammitglieder sehen automatisch die „Estimated Meeting Cost“, eine Schätzung der Kosten, die das Treffen verursachen wird. Dies fördert ein bewusstes Kostenmanagement und die Priorisierung von Meetings.
Der Freitag bei SAP und Sipgate
Der Personalchef Cawa Younosi hat 2022 deutschlandweit bei SAP den „Focus Friday“ als meetingfreien Tag eingeführt. Dieser Tag wurde geschaffen, um den Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, ungestört an Projekten zu arbeiten, ihre Kreativität zu entfalten und Zeit für Weiterbildungen oder Workshops zu finden.
Darüber hinaus setzt SAP Maßnahmen gegen unnötige Meetings ein. Zum Beispiel hat das Unternehmen die Standarddauer von Besprechungen verkürzt, sodass halbstündige Termine nun auf 25 Minuten und einstündige auf 50 Minuten angesetzt werden. Dies wird automatisch vom internen Planungssystem vorgeschlagen.
Bei sipgate in Düsseldorf hat der Open Friday schon viele Jahre Tradition. Jeden 2. Freitag können bei sipgate alle Mitarbeiter tun, was sie für die Firma für am wertvollsten halten. Zusätzlich wird an diesem Freitag ein Open Space veranstaltet. Das ist ein bei sipgate sehr bewährter Weg Wissen zu verbreiten, Probleme zu lösen, Ideen zu sammeln. Der Open Space bzw. die Themen werden von allen Anwesenden selbst erstellt, ähnlich einem Barcamp. Die Teilnahme ist freiwillig.
Pizza-Regel bei Amazon
Schon seit einigen Jahren definiert Amazon-Gründer Jeff Bezos die richtige Gruppengröße eines Meetings gemäß der „Zwei-Pizzen-Regel“. Es sollten nur so viele Teilnehmer im Meeting anwesend sein, dass zwei Pizzen ausreichen, um sie satt zu machen. Mit mehr Teilnehmern steigt das Risiko von mangelnder Vorbereitung und irrelevanten Gesprächen.
Eine Studie der Stanford-Universität aus früheren Jahren ergab ebenfalls, dass die optimale Teilnehmeranzahl für ein Meeting bei etwa sieben Personen (plus oder minus zwei) liegt. Diese Erkenntnis deckt sich mit der „2-Pizza-Regel“, die eine ideale Gruppengröße von fünf bis neun Personen vorschlägt (je nach Größe der Pizza).
Eine Studie der Harvard Business School von Melissa Valentine und Amy Edmondson über die Notaufnahme eines großen Krankenhauses zeigt, wie wirksam solche Maßnahmen sein können. Die rund 30 Ärzte und Krankenschwestern, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Abteilung arbeiteten, wurden in mehrere sechsköpfige Einheiten (pods) aufgeteilt, die jeweils von einem leitenden Arzt oder „Oberarzt“ geführt wurden. Nach der Umstellung flossen die Informationen über die Patienten schneller und genauer, und die persönlichen Beziehungen verbesserten sich merklich. Kleinere Teams verringerten die Verwirrung und das Unbehagen darüber, wen man um Hilfe und aktuelle Informationen bitten konnte. Andererseits gibt es ein viel stärkeres Gefühl der Verantwortung füreinander.
Noch ein Tipp zum Schluß
Eine ungerade Zahl an Teilnehmenden ist besonders dann von Vorteil, wenn Sie Abstimmungen durchführen wollen. Bei Gruppenarbeiten ist eine gerade Zahl wiederum sinnvoller.
Fazit
Unnötige Meetings können erhebliche Zeit- und Ressourcenverschwendung bedeuten. Daher ist es sinnvoll, eine bewusste Herangehensweise an Meetings zu entwickeln, um sicherzustellen, dass sie produktiv und zielführend sind. Dazu zählt auch die Förderung einer Kultur des respektvollen Umgangs mit der Zeit der Mitarbeitenden und das Bewußtsein, dass nicht jedes Anliegen ein persönliches Treffen erfordert.
Letztendlich sind Meetings ein Werkzeug, um Informationen auszutauschen, Entscheidungen zu treffen und die Entwicklung von Mitarbeitern zu unterstützen. Eine bewusste und effiziente Nutzung dieses Werkzeugs kann dazu beitragen, dass Unternehmen erfolgreich und wettbewerbsfähig bleiben.
Quellen und zum Weiterlesen
Focus Friday bei SAP Bericht bei heise.de
Open Friday erklärt von sipgate
Zwei Pizza Regel Bericht bei finanzen.net
LinkedIn Artikel zur Harvard Studie
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