Bewerber auf Vorrat einstellen – so wird Fridge Hiring zur Erfolgsstrategie
Trend, Strategie, Aktionismus?
Lieber einen Mitarbeitenden zuviel einstellen, als einen zuwenig! Lieber erstmal einstellen, dann die passende Stelle suchen! Lieber auf Vorrat einstellen, als am Schluß ohne dazustehen und ihn womöglich an die Konkurrenz zu verlieren! Das „kalte“ Rekrutieren von noch nicht benötigten Fachkräften ist nicht neu, aber inzwischen eine häufige Strategie der Unternehmen, um sich Talente zu sichern.
Lt. einer Umfrage von Indeed haben 82% der 400 befragen Personaler dies schon getan – einen Bewerber eingestellt ohne ihn (im Moment) zu brauchen. Besonders begehrt sind Nachwuchstalente (Einsteiger) und Arbeitnehmer mit Erfahrung im mittleren Karrierelevel (besonders für HR, IT und Sales).
Aber ist Fridge Hiring eine sinnvolle Maßnahme, welche Vor- bzw. Nachteile hat sie und was ist bei der Umsetzung zu beachten? Ist es ein Konzept, das für alle Unternehmen sinnvoll ist? In diesem Blogbeitrag beschäftige ich mich mit dem Fridge Hiring Phänomen.
Moment – was ist denn überhaupt Fridge Hiring?
„Fridge Hiring“ zielt darauf ab, qualifizierte und passende Mitarbeitende auf Vorrat zu gewinnen. Dabei steht Fridge für die Analogie, aus dem Kühlschrank frische Vorräte griffbereit zu haben bzw. frisch zu halten, so wie Unternehmen auf Mitarbeitende zugreifen können, wann immer sie sie brauchen. Personal hamstern, Bewerber einfrieren, Mitarbeitende auf Vorrat anlegen – die Vergleiche sind vielfach und zielen immer auf eine Einstellungsstrategie nach vier Grundprinzipien:
Vier Grundprinzipien von Fridge Hiring
1. Proaktive Suche: Fridge Hiring basiert auf einer proaktiven Suche nach Talenten, die idealerweise noch gar nicht aktiv auf Jobsuche sind bzw. für die es (noch) keine passende Stelle gibt. Auf die Analyse, die erst ermöglicht die richtigen Personen zu suchen, gehe ich später ein.
2. Passgenauigkeit: Es liegt ein starker Fokus darauf, Kandidaten zu identifizieren, die nicht nur die erforderlichen fachlichen Qualifikationen mitbringen, sondern vor allem zur Unternehmenskultur und den Werten des Unternehmens passen.
3. Netzwerkaufbau: Der Aufbau und die Pflege eines Netzwerkes und eines Talentpools sind essenziell, um potenzielle Kandidaten zu erreichen und langfristige Beziehungen aufzubauen.
4. Mitarbeiterempfehlungen: Fridge Hiring nutzt die Kraft von Mitarbeiterempfehlungen, da diese bereits ein Verständnis für die Unternehmenskultur haben und potenzielle Kandidaten gezielt ansprechen können.
Überzeugende Vorteile von Fridge Hiring
Wenn Sie sich den qualifizierten Bewerber sichern, kann er nicht mehr von der Konkurrenz weggeschnappt werden – so einfach ist die Gleichung und doch so wirksam. Weitere Vorteile dieser Strategie sind:
Ankommen leichtgemacht
Die „gehamsterten“ Mitarbeitenden können vielfältig eingesetzt werden. Sie lernen erst die Strukturen im Unternehmen kennen, unterstützen in anderen (fachähnlichen) Abteilungen und sind damit optimal vorbereitet. Sie haben die Chance ohne Druck anzukommen und neue Fähigkeiten zu entdecken.
Kollegen unterstützen
Sie können als Springer die Kollegen entlasten, die überlastet sind und so helfen, Überstunden zu reduzieren. Noch ohne festes Einsatzgebiet sind sie anfangs flexibel einsetzbar. Die neuen Kollegen profitieren zugleich davon, verschiedene Bereiche kennenzulernen und sich im Unternehmen zu vernetzen.
Wachstum vorbereiten
Wenn die Zahl der Mitarbeitenden erhöht werden soll, weil das Unternehmen wächst, ist dieses mit den Mitarbeitenden auf Vorrat sichergestellt.
Bewerberfokus erweitern
Wer nicht 1:1 den Anforderungen entsprach, wurde (früher) direkt abgelehnt. Das ist nicht mehr zeitgemäß und schon gar nicht erfolgsversprechend. Ein Umdenken hat eingesetzt und mit dem Fokus auf Talent, Stärken und Potential können Bewerber für zukünftige Jobs berücksichtigt werden, die sonst aus dem Raster fallen.
Soft Skills zählen
Gerade Nachwuchskräfte punkten mit Soft Skills und ihrer Motivation. Als neuer Mitarbeitender ohne direkte Stelle, können sie sich in Ruhe auf Positionen vorbereiten, die zukünftig besetzt werden. Ihre Soft Skills sollten passen, die Hard Skills können erlernt werden.
Die Fridge Hiring Strategie
Fridge Hiring ist weit mehr als nur eine Methode der Personalsuche – es ist eine strategische Herangehensweise, die eine sorgfältige Planung und Umsetzung erfordert. Sie unterscheidet sich im Wesentlichen nicht vom klassischen Recruiting Prozess, legt aber einen starken Fokus auf die Analyse des Personalbedarfs und dem offenen Mindset, um alte Anforderungsraster zu verlassen. Außerdem muss allen Beteiligten klar sein, dass die Aufgabe nicht nur den Einstellungsprozess, sondern ganz besonders die Begleitung in der Zeit bis zur finalen Stelle betrifft.
Ich möchte aber anmerken, dass diese Recruitingstrategie nicht für jedes Unternehmen umsetzbar ist. Erst ab einer gewissen Unternehmensgröße können sowohl Recruiting als auch die nachfolgende Begleitung eines Mitarbeitenden bewältigt werden. Mittelständischen Unternehmen fällt es da sicher leichter.
Drei wesentliche Schritte
A. Analyse des Personalbedarfs
Der erste Schritt bei der Implementierung von Fridge Hiring ist eine gründliche Analyse des aktuellen und vor allem zukünftigen Personalbedarfs des Unternehmens. Hierbei sollten nicht nur die offensichtlichen Vakanzen berücksichtigt werden, sondern auch potenzielle Wachstumsbereiche und strategische Schlüsselpositionen identifiziert werden.
B. Erstellung eines „Wunschzettels“
Nach der Bedarfsanalyse kommt es darauf an, ein detailliertes Anforderungsprofil zu erstellen. Dieser „Wunschzettel“ sollte nicht nur fachliche Qualifikationen umfassen, sondern vor allem Soft Skills, persönliche Eigenschaften und kulturelle Passung.
C. Mitarbeiterempfehlungen
Mitarbeiterempfehlungen spielen eine wichtige Rolle – bestehende Mitarbeiter können oft wertvolle Kontakte zu potenziellen Kandidaten herstellen. Mitarbeiterempfehlungsprogramme sind eine äußerst effektive Methode, um hochwertige Bewerber zu gewinnen, unterschätzen Sie das Netzwerk jedes einzelnen Mitarbeitenden nicht (bzw. nutzen Sie es).
Die Rolle der Entscheidungsträger
Fridge Hiring erfordert die enge Zusammenarbeit aller Entscheidungsträger, angefangen von HR über das Top-Management bis zu den direkten Führungskräften. Die Entscheidungsträger haben die Aufgabe, eine unterstützende und inklusive Unternehmenskultur zu fördern, die Fridge Hiring begünstigt.
Dazu zählt auch eine offene Kommunikation nach innen und außen, d.h. schon in der Stellenbeschreibung muss klar sein, dass es sich nicht um eine aktuelle, konkrete Stelle handelt. Entsprechend erfordert Fridge Hiring ein Umdenken traditioneller Einstellungsmuster. Es kann eine Herausforderung sein, von der bekannten Vorgehensweise abzuweichen.
Obwohl Fridge Hiring viele Vorteile bietet, gibt es potenzielle Nachteile, die es zu berücksichtigen gilt.
Mögliche Nachteile
Zeit- und Ressourcenaufwand
Die proaktive Suche nach Kandidaten erfordert Zeit, Engagement und Investition. Es kann herausfordernd sein, das talentierte Netzwerk aufzubauen und kontinuierlich zu pflegen, was für kleinere Unternehmen mit begrenzten Ressourcen eine Belastung darstellen kann.
Fehlbesetzungen frustrieren
Ein wahlloses Hamstern von potentiellen Mitarbeitenden birgt Risiken. Neben den Kosten sind es auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, aber auch des Bewerbers. Gibt es keinen tragfähigen Einarbeitungs- und Besetzungsplan, wird der „Neue“ immer nur von einer Abteilung in die andere versetzt. Das ist äußerst frustrierend und er wird nicht lange bleiben. Daher sind eine ehrliche und umfassende Bedarfsanalyse und eine transparente Kommunikation entscheidend für ein erfolgreiches Fridge Hiring.
Fridge Hiring ist (nicht) immer die Lösung
Aufgrund dieser Faktoren ist es ratsam, Fridge Hiring mit Bedacht einzusetzen. Personaler sollten sorgfältig prüfen, wie gut potenzielle Mitarbeiter tatsächlich in das Unternehmen passen und ob ihre Fähigkeiten optimal genutzt werden können. Nur weil andere Unternehmen dem Trend folgen, bedeutet das nicht automatisch, dass jede Organisation diesem Ansatz folgen muss. Der Zeitaufwand ist realistisch einzukalkulieren und Ressourcen müssen verfügbar sein.
Es gibt jedoch Situationen, in denen eine vorausschauende Einstellung von Personal durchaus sinnvoll und erfolgsversprechend sein kann. Die Entscheidung für oder gegen Fridge Hiring sollte immer auf Basis einer gründlichen Analyse der individuellen Unternehmensbedürfnisse und -ziele getroffen werden.
Meine Empfehlung: Fridge Hiring ist keine starre Methode, sondern entwickelt sich stetig weiter. Entscheidungsträger sollten Erfahrungen austauschen und die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um die Strategie anzupassen und zu verbessern. Durch eine gezielte Ansprache von Talenten und eine erhöhte Passgenauigkeit zu Unternehmenskultur und -zielen kann Fridge Hiring zu einer effizienten und effektiven Methode der Personalsuche werden.
Gerne unterstützen wir Sie bei Strategie und Umsetzung bei Fridge Hiring. Nehmen Sie Kontakt zu uns auf, wir freuen uns auf Ihre Nachricht.
Bettin
31. Mai 2024 von 13:55
Guter Beitrag! Wir kamen zu ähnlichen Ergebnissen: https://brandmonks.de/blog/fridge-hiring-mitarbeiter-hamstern/ Die Idee mit dem Wunschzettel ist super, Fokus auf Soft Skills. Dadurch, dass die „gefridgden“ Kandidaten ohnehin nicht „sofort“ arbeiten, haben sie Zeit, die Hard Skills bis zum tatsächlichen Jobantritt im Unternehmen zu erlenen.
Doris Ehrmann
19. Juni 2024 von 15:27
Vielen Dank für Ihr Feedback!