Wissen für Kandidaten

Company Catfishing – wenn Unternehmen Bewerber ködern!

Kavaliersdelikt oder notwendiges Übel?

Der Druck, der auf vielen Personalern und Führungskräften lastet, möglichst schnell offene Stellen zu besetzen, ist seit Jahren hoch und steigt weiter. Vakanzen kosten Geld, in Form von Recruitingkosten, sinkender Produktivität, geringerem Umsatz, fehlender Liquidität und einer schlechter Stimmung bei den Mitarbeitenden durch Überlastung. Hinzu kommt die zunehmende Konkurrenz um qualifizierte Fachkräfte, die vielleicht bessere Karten hat. Das kann dazu führen, dass Unternehmen zu durchaus fragwürdigen Methoden greifen, um Bewerber erstmal anzulocken und dann „einzufangen“.

Mit Catfishing Kandidaten überzeugen?

In der Arbeitswelt spricht man von „Catfishing“, wenn die tatsächliche Unternehmenskultur nicht den Versprechen des Arbeitgebenden entspricht. Unternehmen geben Bewerbenden also vor etwas zu sein, was sie nicht sind, um diese für sich zu gewinnen.

Das sogenannte Company Catfishing ist bei Arbeitgebern nicht ungewöhnlich, wenn auch in ihren Ausprägungen sehr unterschiedlich. Ob es „nur“ übertriebene Versprechungen sind z.B. zu Boni, Entwicklungsmöglichkeiten, Beförderung oder widersprüchliche Informationen zu den Arbeitsbedingungen, der technischen Ausstattung oder den Aufgabenbereichen, vielleicht entspringen sie einem Wunschdenken. Wir unterstellen keiner Führungskraft eine absichtliche Lüge, manchmal ist es das Wunschbild, das uns eine Stelle „schönreden“ lässt. Letztendlich sind die Auswirkungen dieselben.

Ist Company Catfishing die Antwort auf Ghosting?

Das Phänomen Ghosting betrifft Unternehmen, wenn Bewerber zusagen oder sogar Verträge unterschreiben, aber dann spurlos verschwinden. Im derzeitigen Kandidatenmarkt suchen Sie sich die besten Jobs raus, halten sich womöglich mehrere Angebote offen oder wollten nur mal ihren Marktwert testen. Mit ähnlich unlauteren Methoden zu arbeiten, macht das Catfishing aber nicht legitim. Denn spätestens bei Antritt der Stelle kommen Unwahrheiten ans Licht und hinterlassen immer einen faden Beigeschmack, wenn sie nicht sogar die schnelle Kündigung zur Folge haben. Nachfolgend möchten wir für Kandidaten aufzeigen, wie sie reagieren können und für Unternehmen, wie Sie agieren sollten.

Wurden Sie schon mal gecatfished?

Ja, sagen 32% der befragten Personen (von 2.095) laut einer Online-Umfrage von Monster in Zusammenarbeit mit YouGov Deutschland Ende 2023. Am häufigsten flunkern Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren in Bezug auf:

  • die Überstunden und die Work-Life-Balance,
  • die Stellenbeschreibung,
  • die Teamkultur bzw. den Führungsstil (je 11%),
  • und bei Karriere-/Aufstiegschancen und Gehaltsschritten (je 9%).

Bedenklich finden wir, dass 7% erlebt haben, dass die versprochenen Werte des Unternehmens nicht mit der tatsächlichen Unternehmenskultur übereinstimmen. Das betrifft u.a. Diversität, Inklusion und Nachhaltigkeit.

Reaktion von Kandidaten

Kandidaten reagieren unterschiedlich, das zeigt auch die Online-Umfrage. Die Reaktionen reichen von einem kategorischen No-Go (27%), dem Wunsch nach einem klärenden Gespräch (19%) bis hin zu einer Duldung, solange Ihnen der Job insgesamt gefällt (32 %). Immerhin

Wenn Sie als Bewerber das Gefühl haben, dass ein Unternehmen im Bewerbungsgespräch die Wahrheit verschleiert oder übertreibt, ist es wichtig, wachsam zu bleiben und gezielte Schritte zu unternehmen, um sich zu schützen. Hier sind einige Empfehlungen:

Stellen Sie gezielte Fragen

Fragen Sie nach konkreten Details zu den genannten Vorteilen und Arbeitsbedingungen. Unternehmen sollten darauf vorbereitet sein, ihre Aussagen mit Fakten zu belegen, im Zweifel natürlich durch den Arbeitsvertrag.

Mehrere Ansprechpartner fragen

Als Bewerber können Sie sich ein umfassenderes und verlässlicheres Bild machen, wenn Sie mit mehreren Ansprechpartnern sprechen. Neben dem Personalverantwortlichen sollten Sie Gespräche mit zukünftigen Kollegen, Teamleitern und, wenn möglich, höheren Führungskräften suchen. Diese verschiedenen Perspektiven helfen Ihnen, ein realistischeres Bild von der Unternehmenskultur, den Arbeitsbedingungen und den tatsächlichen Karrieremöglichkeiten zu bekommen.

Führen Sie eigene Recherchen durch

Bevor Sie sich entscheiden, nutzen Sie öffentliche Quellen wie Unternehmensbewertungen auf Plattformen wie Kununu zur Ergänzung. Nicht immer sind die Bewertungen relevant, je nach Rolle und Position. Viel wichtiger ist aber, ob das Unternehmen auf die positiven und negativen Bewertungen reagiert. Wie geht das Unternehmen damit um, wer antwortet wie und wann. Dies lässt viel konkretere Rückschlüsse auf Themen wie Werte, Leitbild und Unternehmenskultur zu.

Sie können auch nach Presseveröffentlichungen und anderen öffentlichen Informationen suchen, die die Reputation des Unternehmens betreffen. Und schlussendlich sagen auch Social Media Aktivitäten etwas, evtl. können Sie Ihren Eindruck untermauern oder ihn ad absurdum führen.

Achten Sie auf Warnsignale

Wenn das Unternehmen im Gespräch widersprüchliche Informationen liefert, vage bleibt oder Druck ausübt, sofort eine Entscheidung zu treffen, sollten Sie vorsichtig sein. Diese Anzeichen können darauf hinweisen, dass das Unternehmen versucht, kritische Fragen zu umgehen.

Nutzen Sie Ihr Netzwerk

Es ist immer sinnvoll, Ihr persönliches berufliches Netzwerk zu nutzen. Fragen Sie nach, ob jemand Erfahrungen mit dem Unternehmen hat. Persönliche Empfehlungen und Einschätzungen sind eine wertvolle Ergänzung zu Ihrem (subjektiven) und dem recherchierten (objektiven) Eindruck.

Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl!

Unser Bauchgefühl deckt sehr viel schneller Widersprüche auf als unser Gehirn. Umso wichtiger ist es, wenn Sie Zweifel an der Ehrlichkeit des Unternehmens haben, diese ernst zu nehmen. Es ist besser, vorsichtig zu sein und eventuell eine vielversprechende Gelegenheit abzulehnen, als später feststellen zu müssen, dass die Arbeitsbedingungen nicht Ihren Erwartungen entsprechen.

Konsequenzen und Risiken für Unternehmen

Egal wie Sie es nennen: Flunkerei, Notlüge, Übertreibung – kein kurzfristiger „Sieg“ rechtfertigt eine Lüge. Die möglichen Folgen sind vielfältig:

Compliance-Verstöße

Das Täuschen von Bewerbern kann zu Compliance-Verstößen führen, insbesondere wenn Unternehmen gegen arbeitsrechtliche Vorschriften oder ethische Standards verstoßen. Solche Verstöße können nicht nur rechtliche Sanktionen nach sich ziehen, sondern auch zu langfristigen Haftungsproblemen führen.

Vertrauensverlust

Wenn bekannt wird, dass ein Unternehmen im Bewerbungsprozess unlautere Methoden anwendet, kann dies zu einem erheblichen Vertrauensverlust bei Kunden und Geschäftspartnern führen. In unserer vernetzten und transparenten Welt verbreiten sich solche Informationen schnell und können langfristige Partnerschaften und Kundenbeziehungen beschädigen.

Mitarbeiterunzufriedenheit

Wenn bestehende Mitarbeiter feststellen, dass ihr Arbeitgeber im Bewerbungsprozess lügt, kann dies zu erheblicher Unzufriedenheit und Misstrauen führen. Dies kann die Arbeitsmoral senken und die Mitarbeiterfluktuation erhöhen. Hohe Fluktuation bedeutet zusätzliche Kosten und Aufwand für die Rekrutierung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter – hier schließt sich der Teufelskreis.

Unternehmenskultur

Ein solches Verhalten kann die gesamte Unternehmenskultur negativ beeinflussen. Wenn Täuschung und Unaufrichtigkeit als akzeptable Praxis wahrgenommen werden, kann dies zu einem toxischen Arbeitsumfeld führen, in dem ethische Standards und Integrität wenig Bedeutung haben.

Als Personalberater wissen wir, wie wichtig Transparenz im gesamten Unternehmen ist. Transparenz schafft Vertrauen, weil ihre Basis eine offene und ehrliche Kommunikation mit den Mitarbeitern ist. Das stärkt die Mitarbeiterbindung, was sich auch nach außen zeigt. Denn wenn Mitarbeitende privat oder öffentlich positiv über ihren Arbeitgeber sprechen, wirkt das wie ein Magnet auf interessierte Kandidaten.

Übrigens beginnt eine „Täuschung“ oder ein „Schönreden“ schon bei der veröffentlichten Stellenbeschreibung. Diese lesen ebenso bestehende Mitarbeitende und vergleichen sie mit ihren Arbeitsbedingungen. Unterschätzen Sie hier den Flurfunk nicht. Diskrepanzen führen schnell zu Demotivation, Frustration und (hoffentlich nicht) zum Loud Quitting.

Wir müssen es eigentlich nicht mehr betonen: Insgesamt überwiegen die Kosten und Konsequenzen bei weitem die kurzfristigen Vorteile, die durch solche Praktiken erlangt werden (könnten). Was ist also zu tun, um Catfishing gar nicht erst aufkommen zu lassen oder im Keim zu ersticken?

Präventive Maßnahmen für Unternehmen

Unternehmen können das Thema auf die Tagesordnung setzen und ein Bewußtsein dafür schaffen, welche Aussagen in Bewerbungsgesprächen getroffen werden und welche nicht. Dabei unterstützen Schulungsprogramme, um Mitarbeiter über die Risiken und Anzeichen von Company Catfishing aufzuklären. Neben theoretischen Schulungen können Simulationen eines Vorstellungsgespräches eine effektive Methode sein, um Mitarbeiter vorzubereiten. Diese Übungen helfen, das Wissen zu festigen und die Reaktionsfähigkeit der Mitarbeiter zu verbessern.

Alles zentral im Blick

Eine zentrale Stelle sollte sich um Vorfälle von Company Catfishing kümmern, schnell und effektiv. Dieses Team sollte Kommunikationspläne für den Ernstfall entwickeln. Denn nur ein klarer Kommunikationsplan macht es möglich, dass im Ernstfall schnell und transparent gehandelt werden kann. Der Plan sollte festlegen, wie Informationen intern und extern kommuniziert werden. Eventuell gehört dazu die Schulung der Mitarbeiter im Umgang mit Medienanfragen und öffentlichen Stellungnahmen. Zuständigkeiten und Abläufe müssen klar und transparent geregelt werden.

Online Monitoring

Wenn ein Bewerber öffentlich macht, dass er im Bewerbungsgespräch von Ihrem Unternehmen angelogen wurde, kann dies erhebliche Reputationsschäden verursachen. Um dies überhaupt mitzubekommen, ist ein regelmäßiges Monitoring erforderlich. Zumindest die regelmäßige Prüfung von Bewertungsplattformen und das Setzen eines automatischen Alerts (z.B. über Google Alert) sollten Teil des Monitoring sein.

Schnelle Reaktion

In jedem Fall ist eine schnelle und transparente Kommunikation notwendig. Reagieren Sie umgehend auf die Vorwürfe. Lassen Sie keine langen Wartezeiten verstreichen, da dies den Eindruck von Schuld oder Gleichgültigkeit erwecken kann.

Veröffentlichen Sie eine offizielle Stellungnahme auf den gleichen Plattformen, auf denen die Vorwürfe gemacht wurden, soweit möglich. Seien Sie dabei transparent und erklären Sie die Situation aus der Sicht des Unternehmens.

Ursache finden

Prüfen Sie natürlich auch intern die Vorwürfe. Dies sollte schnell und effizient geschehen, um weitere Schäden zu vermeiden. Sammeln Sie alle relevanten Informationen und Beweise, die den Vorwürfen entgegenstehen oder diese bestätigen könnten.

Proaktiv ansprechen

Nicht zuletzt, gehen Sie in die direkte Kommunikation mit dem Bewerber, um die Situation zu klären. Zeigen Sie Verständnis für seine Perspektive und bemühen Sie sich um eine einvernehmliche Lösung. Wenn sich herausstellt, dass die Vorwürfe berechtigt sind, entschuldigen Sie sich bei dem Bewerber und bieten Sie eine angemessene Wiedergutmachung an, wie z.B. eine erneute Überprüfung des Bewerbungsprozesses oder andere geeignete Maßnahmen.

Als Personalberater empfehlen wir dringend, vorab eine Krisenkommunikationsstrategie zu entwickeln. Nur so können Sie die Situation managen und Schäden minimieren. Arbeiten Sie dabei eng mit Ihrem PR-Team zusammen. Durch schnelle und angemessene Maßnahmen können Sie das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückgewinnen und zukünftige Vorfälle verhindern.

Ein letzter Tipp zum Schluß: Liebe Personalverantwortliche, nehmen Sie sich Zeit für ein umfassendes Bewerbungsszenario. Planen Sie mehrere Gespräche ein, mit unterschiedlichen Ansprechpartnern. Bleiben Sie transparent, antworten Sie auf Fragen offen und ehrlich. Beschönigen Sie nichts, zeigen Sie sich offen für kritisches Hinterfragen. So haben beide Seiten Zeit herauszufinden, ob man zusammen passt.

Zum Weiterlesen

Monster – Frage des Monats: Company Catfishing

und dazugehöriges Dokument

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