Leadership

Die Kraft des 360 Grad Feedback: Ein ganzheitlicher Ansatz zur Führungskräfteentwicklung

Die Rollen der Führungskraft sind vielfältig

Das 360-Grad-Feedback hat eine lange Geschichte, dessen Ursprünge bis in die 1930er Jahre zurückreichen. In seiner modernen Form wurde es in den 1970er Jahren in großen US-Unternehmen eingeführt und begann sich schnell auch in Europa zu verbreiten. Inzwischen ist diese Form des Feedbacks ein gängiges Instrument in der Personalentwicklung. Besonders für Führungskräfte bietet es entscheidende Vorteile: Es vereint gezielt verschiedene Perspektiven, wodurch eine umfassende Einschätzung einer Führungskraft und seiner Leistungen möglich wird.

Dazu werden im Feedback nicht nur Verhalten und Kompetenzen aus Sicht von Kollegen, Mitarbeitenden und Vorgesetzten betrachtet. Hinzugezogen werden ebenso externe Partner und Kunden bzw. Stakeholder. Dadurch erhält die Führungskraft nicht nur einen tiefen Einblick in die interne Wahrnehmung, sondern ebenso in das Außenbild, das sie vermittelt.

Johari-Fenster schließt Lücken

In seiner Selbstwahrnehmung hat jeder Mensch einen sogenannten „blinden Fleck“. Im Johari-Fenster (mehr hier) wird er als Teil der psychologischen Wahrnehmung bezeichnet. Man versteht darunter alles, was von der Person (dem Sender) ausgesendet und vom Gegenüber (dem Empfänger) wahrgenommen wird, ohne dass sich in diesem Fall die Führungskraft dessen bewusst ist.

Mit Hilfe des 360 Grad Feedbacks und dem Mitteilen von Beobachtungen aus unterschiedlichsten Perspektiven, können diese unsichtbaren Stellen in der Persönlichkeit sichtbar werden. Selbst- und Fremdwahrnehmung werden besser in Einklang gebracht, die Führungskraft gewinnt wertvolle Erkenntnisse über sich selbst und kann sich weiterentwickeln. So wird diese Art des Rund-um-Feedback zu einem wichtigen Werkzeug für die persönliche und berufliche Weiterentwicklung.

Die multiperspektivische Beurteilung erfolgt durch verschiedene Personengruppen:

Direkte Vorgesetzte
Die direkten Vorgesetzten geben Feedback aus ihrer übergeordneten Perspektive.

Untergebene Mitarbeitende
Die direkt unterstellten Mitarbeiter beurteilen die Führungskraft in seiner Rolle als Vorgesetzter.

Gleichgestellte Kollegen
Führungskräfte sind auch Kollegen, d.h. andere Führungskräfte auf der gleichen Hierarchieebene geben ein „Peer-to-Peer-Feedback“. Dies liefert Einblicke in die Zusammenarbeit auf Kollegenebene.

Selbsteinschätzung
Die Führungskraft selbst gibt eine Einschätzung ihrer eigenen Leistung und ihres Verhaltens ab.

Partner, Kunden, Stake Holder
Je nach Position ist es sinnvoll externe Personen wie Kunden, Lieferanten oder Geschäftspartner in das Feedback einzubeziehen.

Diese multiperspektivische Beurteilung ermöglicht ein ganzheitliches Bild der Führungskraft in ihren verschiedenen Rollen und Beziehungen. Die Kombination der Sichtweisen trägt zu einer ausgewogenen und objektiven Bewertung bei und deckt blinde Flecken auf.

Auf zwei Sichtweisen möchten wir in diesem Beitrag aber besonders eingehen. Die Rolle der Führungskraft als Mitarbeiter und als Kollege.

Die Rolle: Mitarbeiter!

Die Rollen einer Führungskraft sind vielfältig, eine davon ist die eines Mitarbeiters – allerdings in einer besonderen Funktion. Wie alle anderen trägt sie als Mitarbeiter zur Erreichung der Unternehmensziele bei und untersteht meist einer höheren Führungsebene. Gleichzeitig übernimmt sie Verantwortung für die Leitung und Entwicklung eines Teams, für die Umsetzung der strategischen Unternehmensziele. Sie hat eine wichtige Vorbildfunktion in Bezug auf die Werte und Unternehmenskultur.

Diese Doppelfunktion ist anspruchsvoll. Die Führungskraft muss sowohl die Erwartungen der eigenen Vorgesetzten als auch die Bedürfnisse des Teams im Blick haben. Dabei ist die Perspektive der Vorgesetzten (direkt und übergeordnet) im 360 Grad Feedback besonders wichtig und wertvoll. Sie beurteilen die Leistung der Führungskraft als Mitarbeiter und fokussieren sich auf die Gesamtleistung und Zielerreichung. Darüberhinaus sind es auch die nachfolgenden Bereiche, die betrachtet werden:

  • Strategische Fähigkeiten
  • Kommunikation im Team und zu anderen Abteilungen
  • Teamarbeit und Kooperation
  • Fachliche Kompetenzen und deren Weiterentwicklung
  • Organisationsfähigkeit und Projektmanagement
  • Unternehmerisches Denken, Kostenbewusstsein
  • Integrität und Vorbildfunktion

 

Die Rolle: Kollege!

Neben der Rolle als Mitarbeiter ist eine Führungskraft auch Kollege – ein Aspekt, der oft unterschätzt wird, aber entscheidend für den Zusammenhalt und die Kultur im Team ist.

Als Kollege ist die Führungskraft Teil des Teams und interagiert mit den Kollegen auf Augenhöhe. Hier geht es um gegenseitigen Austausch, Unterstützung und Zusammenarbeit. Eine Führungskraft, die diese Rolle aktiv lebt, zeigt Offenheit und Zugänglichkeit, was Vertrauen und Nähe schafft.

Sich in der Rolle als Führungskraft abzugrenzen, kann in Konfliktsituationen oder bei Leistungsbeurteilungen schwierig sein. Eine zu enge Kollegialität kann die notwendige Distanz beeinträchtigen. Diese Balance zwischen Nähe und Distanz ist entscheidend: Als Kollege zu agieren, ohne die Führungsrolle zu verlieren, erfordert Fingerspitzengefühl und Empathie.

Im 360-Grad-Feedback spielt die Beurteilung durch Kollegen eine wichtige Rolle, da sie eine einzigartige Perspektive bietet. Hier bewerten Kollegen, wie die Führungskraft im Alltag zusammenarbeitet, ob sie teamorientiert denkt und ob sie bei gemeinsamen Projekten unterstützend und respektvoll handelt. Gleichzeitig zeigt sich, ob sie trotz dieser Nähe ihre Führungsverantwortung wahrnimmt und auch kritische Entscheidungen trifft, wenn nötig. Durch das Feedback der Kollegen im 360-Grad-Prozess erhält die Führungskraft somit Einblicke in ihre Wirkung auf Augenhöhe und kann besser verstehen, wie ihre Kollegialität zur Teamdynamik und zur Arbeitsatmosphäre beiträgt.

Bedeutung beider Perspektiven

Die Kombination der Sichtweisen von Vorgesetzten und Kollegen ergänzen sich und bieten wichtige Vorteile für eine ganzheitliche Beurteilung der Führungskraft:

Vorteile der Kollegen-Perspektive

Einblick in die Teamdynamik: Kollegen erleben die Führungskraft im direkten Arbeitsumfeld und können gut beurteilen, wie sie mit anderen im Team interagiert, kooperiert und auf Augenhöhe arbeitet.

Feedback zur sozialen Kompetenz: Kollegen geben wertvolle Rückmeldungen zu Kommunikationsfähigkeit, Empathie und Konfliktlösung – Aspekte, die für den Zusammenhalt im Team entscheidend sind.

Authentizität im Alltag: Die Kollegenperspektive zeigt, ob die Führungskraft ihre Werte und Ziele nicht nur nach außen, sondern auch intern lebt. So wird sichtbar, ob sie authentisch und konsistent handelt.

Vorteile der Vorgesetztenperspektive

Strategischer Blick: Vorgesetzte bewerten, wie gut die Führungskraft strategische Unternehmensziele umsetzt, Prioritäten setzt und ihr Team in diese Richtung steuert.

Ergebnisorientierung: Die Sichtweise des Vorgesetzten zeigt, ob die Führungskraft zielorientiert handelt und die Leistung des Teams auf ein höheres Level bringt.

Führungsverantwortung: Vorgesetzte haben ein klares Verständnis davon, wie gut die Führungskraft Entscheidungen trifft, Verantwortung übernimmt und wichtige Führungsaufgaben wahrnimmt.

Zusammen bieten diese beiden Sichtweisen eine ganzheitliche Beurteilung der Führungskraft aus verschiedenen Blickwinkeln. Durch die Einbeziehung mehrerer Perspektiven werden subjektive Verzerrungen reduziert. Gleiches gilt natürlich für die anderen Rollen und Perspektiven, die die 360 Grad Methode ermöglichen.

360 Grad Feedback Implementierung

Bei der Implementierung des 360-Grad-Feedbacks sollte man auf folgende wichtige Aspekte besonders achten:

1. Klare Zielsetzung und transparente Kommunikation:
– Definieren Sie die Ziele des Feedbacks präzise.
– Kommunizieren Sie den Zweck und Ablauf transparent an alle Beteiligten, die auch später involviert sein werden.

2. Sorgfältige Vorbereitung:
– Wählen Sie die Feedbackgeber sorgfältig aus.
– Entwickeln Sie einen validen und unternehmensspezifischen Fragebogen.
– Schulen Sie alle Beteiligten im Umgang mit dem Instrument.

3. Gewährleistung von Anonymität und Vertraulichkeit:
– Ganz wichtig – stellen Sie sicher, dass die Anonymität der Feedbackgeber gewahrt bleibt.
– Behandeln Sie alle Informationen vertraulich.

4. Professionelle Durchführung und Auswertung:
– Nutzen Sie geeignete Tools oder ggfls. Software zur Durchführung.
– Lassen Sie die Ergebnisse von Experten auswerten.

5. Konstruktive Feedbackgespräche:
– Führen Sie einfühlsame und entwicklungsorientierte Feedbackgespräche.
– Fokussieren Sie auf konkrete Handlungsempfehlungen auf sachlicher Ebene.

6. Nachhaltige Umsetzung:
– Leiten Sie konkrete Entwicklungsmaßnahmen aus den Ergebnissen ab.
– Verfolgen Sie die Umsetzung der Maßnahmen konsequent.

Integrieren Sie das 360-Grad-Feedback in die bestehenden Personalentwicklungsprozesse. Es kann als Einstieg in eine offenere Kommunikationskultur im Unternehmen dienen, um eine offene Feedbackkultur zu entwickeln. Evaluieren Sie den Prozess regelmäßig und passen Sie das Instrument bei Bedarf an.

Durch sorgfältige Beachtung dieser Punkte kann eine erfolgreiche Implementierung des 360-Grad-Feedbacks gelingen und dessen Potenzial für die Personalentwicklung voll ausgeschöpft werden.

Zum Weiterlesen

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360 Grad Feedback: Wie es funktioniert

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