Unternehmenskultur

Gibt es in Ihrem Unternehmen eine Willkommenskultur für ausländische Fachkräfte?

Fachkräfte aus dem Ausland

Um den Herausforderungen des demografischen Wandels nachhaltig zu begegnen, ist die gezielte Einwanderung von Fachkräften für Deutschland von entscheidender Bedeutung. Neben quantitativen Gründen bieten sich auch zahlreiche qualitative Vorteile: Die Förderung interkultureller Teams trägt zur Erweiterung von Perspektiven bei, schafft ganzheitliche Ansätze und führt somit zu langfristig erfolgreichen (internationalen) Teams.

Der Fachkräftemangel hat viele Ursachen

Die Wirtschaftsweisen gehen von einer jährlichen Zuwanderung von 1,5 Millionen Menschen aus, die sowohl ungelernte Helferarbeiten als auch hochqualifizierte Fachkräfte umfassen soll. Allerdings steht Deutschland für Arbeitsmigranten alles andere als im Fokus und ist leider kein berufliches Traumziel.

Die in Deutschland ansässigen Expatriats/Expats (also Personen, die wegen der Arbeit außerhalb ihres Heimatlandes leben) gehören zu den unglücklichsten und einsamsten weltweit. Im globalen Vergleich zeigt die Expat Insider Survey von InterNations aus 2023, einem Netzwerk für Expats, dass Deutschland eher geringe Beliebtheit genießt. Deutschland liegt auf dem 49. von 53 untersuchten Plätzen, in direkter Nachbarschaft von Südafrika und Südkorea. Bei den Städten rangieren Hamburg und Berlin ebenfalls am unteren Ende auf den Plätzen 45 und 46.

Bewertet wurden in der Studie die Zufriedenheit von Expats weltweit. Berücksichtigt wurden fünf Kriterien: Lebensqualität, Eingewöhnung, Arbeiten im Ausland, persönliche Finanzen sowie den Expat Essentials Index, der Aspekte wie Wohnen, Verwaltung, Sprache und digitales Leben einschließt. Mehr als 12.000 Expats wurden weltweit für diese umfassende Studie befragt, und die Ergebnisse werfen ein ernüchterndes Licht auf die Eingewöhnungssituation in Deutschland.

Besonders bedenklich finde ich, dass 30% der Expats in Deutschland die deutsche Bevölkerung als unfreundlich gegenüber ausländischen Mitbürgern empfinden, während global nur 18% dieser Aussage für ihren jeweiligen Aufenthaltsort zustimmen. Die Schwierigkeiten, lokale Freunde zu finden, werden von mehr als der Hälfte der Expats in Deutschland (55%) angegeben, im Gegensatz zu 36% weltweit.

Bürokratie und Wartezeiten

Für die Unbeliebtheit von Deutschland als Arbeitgeber-Land gibt es viele Gründe, die sich oft gegenseitig bedingen, wie:

  • Lange Wartezeiten bei den unterbesetzten Behörden (die ironischerweise auch unter Fachkräftemangel leiden) sowie unverständliche bürokratische Prozesse
  • Unbearbeitete Aufenthaltstitel führen zu Jobverlust und Rückreise ins Heimatland
  • Ausgebuchte Sprachkurse bzw. lange Wartezeiten beseitigen die Sprachbarrieren nicht frühzeitig genug
  • Langwierige Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen evtl. mit Anpassungsqualifizierung
  • Attraktive Alternativländer, die Arbeitskräfte mit offenen Armen empfangen
  • und noch einige Punkte mehr. Aber…

…bei den meisten Punkten können Unternehmen nicht eingreifen. Auf bessere Zeiten warten und untätig bleiben ist aber die falsche Entscheidung, denn ein paar Stellschrauben gibt es doch, an denen Unternehmen drehen können. Hier zitiere ich gern den WDR-Artikel: Jedes Unternehmen sollte „Brückenbauer“ haben! Genannt wird das Beispiel eines Münsteraner Krankenhauses, wo eine Stelle für „transkulturelle Integration“ geschaffen wurde. Die Aufgabe ist es, ankommende Arbeitskräfte im neuen Alltag in Deutschland zu unterstützen, sowohl bei den internen Abläufen am Arbeitsplatz als auch bei der Anerkennung des Berufsabschlusses und des hausinternen Sprachkurses.

Brückenbauer braucht das Land

Jedes Unternehmen, das ausländische Fachkräfte anziehen möchte, sollte solche Projekte und Brückenbauer implementieren. Auch Unternehmen müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie hier eine attraktive Perspektive sehen. Schließlich kommen nicht nur Arbeitskräfte, sondern Menschen.

Aber nur wenige Unternehmen werben gezielt Personal im Ausland an. Wie der Fachkräftemigrationsmonitor der Bertelsmann Stiftung belegt, suchten lediglich 17 Prozent aller deutschen Unternehmen auch im Ausland, um personellen Engpässen entgegenzuwirken. Stattdessen setzen sie zurzeit in erster Linie auf Aus- und Weiterbildung im eigenen Betrieb sowie auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um mehr Fachkräfte zu gewinnen.

You are welcome?

Für eine erfolgreiche und nachhaltige Integration ausländischer Fachkräfte in das Unternehmen bedarf es aber mehr als eine Person oder eine Stelle, die sich hauptverantwortlich darum kümmert. Es bedarf aller Mitarbeitenden, deren „Zustimmung“ und Bereitschaft, offen gegenüber Menschen aus anderen Nationen und Kulturen zu sein. Daher ist es unbedingt notwendig, sich vorab ein Bild von der Stimmung und dem Mindset der Belegschaft zu verschaffen, z.B. über eine Betriebsversammlung oder über eine anonyme Befragung. Gibt es Vorbehalte, offene Fragen, Bedenken oder Wünsche, die es zu berücksichtigen gilt?

Besonders die Mitarbeitenden, die bereits aus dem Ausland kamen, sind wertvolle Informationsquellen, um aus deren Erfahrung zu lernen. Nutzen Sie dies Quellen.

In jedem Fall ist Kommunikation ein wesentlicher Erfolgsfaktor, damit sich durch alle Hierarchien eine Willkommenskultur als Teil der Unternehmenskultur bilden kann. Informieren Sie Ihre Mitarbeitenden über die Pläne, Expats verstärkt für das Unternehmen zu gewinnen, vielleicht kristallisieren sich sogar Mentoren oder Expat Buddys heraus, die gern eine aktive Rolle übernehmen möchten.

Sprache trennt oder verbindet!

Wenn wir über Kommunikation sprechen, dann sprechen wir natürlich im Besonderen über Sprache. In den meisten Fällen beherrscht das neue Teammitglied bei seiner Ankunft kein perfektes Deutsch bzw. es fehlt das fachliche Vokabular. Um langfristig eine erfolgreiche soziale Integration sowohl innerhalb des Teams als auch im Land zu gewährleisten, wäre eine Möglichkeit, die Teilnahme an Deutsch-Sprachkursen finanziell zu unterstützen oder interne Sprachkurse anzubieten.

Checkliste: Gewinnen und Binden von Fachkräften aus dem Ausland

Strategische Planung

Identifizierung des Fachkräftebedarfs
Analysieren Sie genau, welche Fähigkeiten und Qualifikationen Ihr Unternehmen benötigt, und erstellen Sie eine klare Liste der zu besetzenden Positionen.

Marktanalyse
Untersuchen Sie den Arbeitsmarkt im Ausland, um potenzielle Kandidaten zu identifizieren und zu verstehen, welche Anreize für sie relevant sind.

Rekrutierungsziele setzen
Definieren Sie klare Ziele für die Anzahl und Art der ausländischen Fachkräfte, die Ihr Unternehmen anziehen möchte.

Anwerbungsprozess

Attraktive Stellenanzeigen
Formulieren Sie ansprechende Stellenanzeigen, die nicht nur die fachlichen Anforderungen, sondern auch die Vorzüge Ihres Unternehmens hervorheben.

Internationale Jobportale nutzen
Veröffentlichen Sie Stellenangebote auf internationalen Jobportalen, um eine breitere Reichweite zu erzielen, z.B. über die Jobbörse „Make it in Germany“ der Bundesagentur für Arbeit.

Netzwerke aufbauen
Knüpfen Sie Kontakte zu internationalen Fachverbänden, Universitäten und Netzwerken, um den Zugang zu qualifizierten Kandidaten zu erleichtern. LinkedIn ist das passende Online-Netzwerk mit einem der größten, internationalen Jobportale und über 1 Mrd. Mitgliedern weltweit.

Auswahlverfahren

Sprachanforderungen klar kommunizieren
Definieren Sie die erforderlichen Sprachkenntnisse und kommunizieren Sie diese transparent, wobei Sie berücksichtigen, dass in manchen Branchen Englisch ausreichend sein könnte.

Bewerbermanagement optimieren
Nutzen Sie moderne Technologien, um den Bewerbungsprozess effizient zu gestalten und internationalen Bewerbern eine reibungslose Erfahrung zu bieten.

Onboarding und Integration

Welcome-Package vorbereiten
Bereiten Sie ein umfassendes Welcome-Package vor, das Informationen über das Unternehmen, die Region und wichtige Ansprechpartner enthält.
Mentoring-Programme etablieren
Implementieren Sie Mentoring-Programme, um neuen Mitarbeitern den Einstieg zu erleichtern und ihre Integration zu fördern.

Deutschkurse und kulturelle Schulungen
Unterstützen Sie die Mitarbeiter bei der Integration, indem Sie Deutschkurse fördern und Schulungen zu kulturellen Unterschieden anbieten.

Langfristige Bindung

Karriereentwicklung fördern
Schaffen Sie klare Entwicklungsperspektiven und Weiterbildungsmöglichkeiten, um das Engagement der Mitarbeiter langfristig zu sichern.

Familienunterstützung
Bieten Sie Unterstützung für mitgereiste Familienmitglieder, um das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu fördern.

Feedback und Kommunikation
Etablieren Sie regelmäßige Feedback-Gespräche und klare Kommunikationswege, um eine offene Unternehmenskultur zu fördern.

Fachkräfte im Ausland als Zielgruppe

Durch die Umsetzung dieser Checkliste können Unternehmen eine effektive Strategie entwickeln, um internationale Talente anzuziehen und langfristig zu binden.

Alles in allem werden deutsche Unternehmen wohl an mehreren Stellschrauben drehen müssen, um den Rückgang des potenziellen Arbeitskräfteangebots, auch in qualitativer Hinsicht, signifikant abschwächen zu können.

 

Quellen und zum Weiterlesen

Fachartikel Personalwirtschaft: Expats kritisieren mangende Willkommenskultur in Deutschland

Bundeszentrale für politische Bildung: Braucht Deutschland die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland?

HR Journal: Expats welcome: Was Unternehmen tun können

Die Bundesregierung/Make it in Germany: Rekrutierungsweg finden

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