Jenseits des Gender Pay Gap: Die finanzielle Strafe der Mutterschaft
Schlimmer als der Gender Pay Gap ist Motherhood Penalty
Das Wissen und die Bekanntheit des Gender Pay Gap ist groß, spätestens am Equal Pay Day jedes Jahr im März wird man sich bewußt, dass es ihn immer noch gibt – den Unterschied in der Bezahlung von Frauen und Männern. Dazu kommt, dass er zum vierten Mal in Folge seit 2020 unverändert hoch ist!
18% weniger erhalten Frauen im Vergleich zu Männern. Der Stundenlohn der Frauen liegt bei durchschnittlich 20,84 € (lt. Statistischem Bundesamt 2024), das sind 4,46 € weniger als der Stundensatz bei Männern (25,30 € Bruttostundenverdienst).
Soweit, so schlecht – aber es wird noch schlimmer, wenn das erste Kind da ist. Denn Mütter verdienen noch weniger. Interessanterweise gilt dies für Männer, die Väter werden, nicht.
Dieses als „Motherhood Penalty“ (Strafe der Mutterschaft) bekannte Phänomen ist in Deutschland besonders ausgeprägt und wurde im Verlauf der Zeit sogar größer, wie eine Auswertung der Bertelsmann Stiftung aus 2020 zeigt.
Mit einem Kind 40% weniger
Man muss sich die Zahlen deutlich vor Augen führen. Mütter mit einem Kind haben durchschnittliche Einbußen an Lebenserwerbseinkommen von rund 40 Prozent im Vergleich zu kinderlosen Frauen. Bei Frauen mit drei oder mehr Kindern beträgt die Motherhood Lifetime Penalty nahezu 70 Prozent. Wie gesagt, Männer bzw. Väter betrifft dies nicht. Sie sind im Gegenteil, häufiger erwerbstätig und verdienen mehr als kinderlose Männer.
Die Möglichkeiten der Elternzeit haben nicht wirklich etwas verändert. Dass die meisten Väter, wenn überhaupt, nur zwei Monate in Elternzeit gehen, liegt hauptsächlich an den gesetzlichen Vorgaben und der (oft nicht ganz unbegründeten) Angst der Männer, Karriereeinbußen zu erfahren.
Hier sind Unternehmen und die Politik gefordert, Männer zu fördern, die sich für eine längere Elternzeit entscheiden möchten. Nur dann kann ein gesellschaftlicher Wandel entstehen, in der Väter mehr Aufgaben im Haushalt übernehmen und starre Rollen neu und flexibel verteilt werden.
Die weibliche Teilzeit-Falle
Aber zurück zu den Frauen. Denn diese tappen sehr schnell in die Teilzeit-Falle. Ist das erste Kind da, ist es in Deutschland immer noch mehrheitlich eine klassische Rollenaufteilung, in der die Frau die Kinderbetreuung übernimmt. Sie gibt ihren Job auf, der Mann verdient meist mehr und kann entsprechend seine Karriere voranbringen. Die Frau hält ihm den Rücken frei, bleibt auch bei den weiteren Kindern zuhause und entfernt sich immer weiter von ihrer bisherigen qualifizierten Arbeit. Entsprechend hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Mütter in Teilzeit arbeiten.
Die oft mangelnde Kinderbetreuung, der Haushalt, manchmal auch die Pflege von Familienangehörigen machen diese Jobs zur einzigen Option. Der Kreislauf schließt sich, der Wiedereinstieg ist oft nur über weniger qualifizierte Teilzeitstellen möglich oder sie wechseln in Berufe, die besser mit dem Familienleben zu vereinbaren sind, aber schlechtere Löhne zahlen. Jobs in der Pflege und Erziehung werden schlechter bezahlt als Jobs in der Produktion, die eher von Männern dominiert werden.
Mit MINT mehr Macht bei der Rollenverteilung
Würden mehr Frauen in MINT Berufen arbeiten, würde wohl so manche Konstellation anders aussehen und das Gehalt der Frau wäre so hoch oder höher als das des Mannes. Somit hat das Paar die Wahl und kann es sich leisten, dass der Mann länger oder ganz in die Kinderbetreuung geht oder das beide arbeiten, wäre die Kinderbetreuung gesichert.
Über den Mangel an Frauen in MINT-Berufen haben wir bereits auf diesem Blogbeitrag geschrieben. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den Frauenanteil in technischen Berufen zu erhöhen. Lt. dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fehlten im April 2023 rund 308.400 Arbeitskräfte in der MINT-Branche. Mit einer besseren Qualifikation in den „typischen“ Männerberufen, verbessert sich auch die Ausgangssituation von Frauen, wenn sie Mutter werden.
Denn in der Zeit, in der Frauen nicht Vollzeit in ihrem Beruf arbeiten, drehen sie sozusagen eine Nullrunde bei den Gehaltsanpassungen.
Keine Arbeit, keine Gehaltserhöhung, keine Karriere. So einfach könnte man es beschreiben und letzendlich ist es auch so. Diese Zeit auf der beruflichen „Strafbank“, auch wenn sie für die Familie unglaublich wertvoll und sinnvoll ist, kenne ich aus eigener Erfahrung. Sie bringt Frauen ins Hintertreffen. Sie müssen die Elternzeit mühsam wieder aufholen, auch weil es zu wenige Unternehmen gibt, die die Voraussetzungen für die Beschäftigung von Müttern in Vollzeit schaffen.
Was können Unternehmen für Mütter tun?
Raus aus der Falle funktioniert nur, wenn Unternehmen dies ermöglichen. Denn Arbeitgeber sollten sich ganz bewußt fragen, ob sie in Zeiten des Fachkräftemangels auf potenzielle Leistungsträgerinnen verzichten wollen oder können.
Sicherlich für viele eine klare Antwort. Wollen Sie aber als Arbeitgeber familienfreundlich agieren, gibt es viele Hindernisse, die Sie aus dem Weg räumen müssen. Dazu zählt aus unserer Erfahrung eine Veränderung des Mindset. Ein Kind macht aus einer qualifizierten Fach- oder Führungskraft nicht eine eingeschränkt einsetzbare, weniger qualifizierte Teilzeitkraft. Vielmehr können gerade Mütter hervorragende Eigenschaften mit ins Unternehmen bringen – wenn diese als genauso wertvoll erachtet werden, wie eine berufliche Qualifikation oder fachliche Expertise.
Die Superpower der Mütter
Was Mütter als Familienmanagerinnen an Erfahrung und Expertise mitbringen, sollte Wertschätzung erfahren. Wie? Durch familienfreundliche Rahmenbedingungen und damit die Unterstützung der familiären Verantwortung.
Diese Eigenschaften, Stärken und Erfahrung können Mütter zu besseren Führungskräften machen:
- Komplexe Themen klar und verständlich darstellen
- Erprobte Konfliktlösung durch Empathie und Einfühlungsvermögen
- Ausgeprägte organisatorische Fähigkeiten
- Besonnen auch wenn es hektisch wird
- Vorausschauende Planung
- Extreme Flexibilität mit dem Fokus auf Lösungen
- Hohes Maß an Strukturierung
- Schnelle Anpassung an neue Situationen
- Parallele Koordination verschiedener Projekte und Aufgaben
- Entwicklung kreativer Lösungen und neuer Wege
- Stressresistent in Krisen
- Effektives Zeitmanagement
- Schnelle und fundierte Entscheidungen (unter Druck)
- Effektive und klare Kommunikation
- Inspiration und Motivation von Kollegen und Teams
Rahmenbedingungen für Mütter schaffen
Neben dem Mindset sind es strukturelle Rahmenbedingungen die Unternehmen schaffen müssen. Das sind auf jeden Fall die Klassiker:
- betriebliche Kinderbetreuungsangebote
- und flexible Arbeitszeitmodelle!
Noch ein etwas anderer Ansatz: Schon mal über Job Sharing nachgedacht? Ein echter Gamechanger kann das Jobsharing-Modell sein. In der Regel teilen sich zwei Mitarbeitende eine Vollzeitstelle inklusive Führungsaufgaben. Wir wissen von Unternehmen, die damit bereits Erfahrungen gemacht haben, dass diese Tandems oftmals produktiver, agiler und belastbarer sind, als ein einzelner Vollzeitmitarbeitender.
Jetzt mal ehrlich – sind Ihre Gehälter fair?
Wird in Ihrem Unternehmen gerecht bezahlt? Spielt der Gender Pay Gap überhaupt eine Rolle bei Ihnen? Wissen oder glauben Sie, dass es keine Ungleichheiten in Ihrem Unternehmen aufgrund des Geschlechtes oder gar der Anzahl der Kinder gibt?
Schaffen Sie Klarheit und Transparenz. Denn nur wenn Sie die Zahlen kennen, können Sie handeln. Im ersten Schritt brauchen Sie eine Analyse. Überprüfen Sie systematisch ihre Entgeltstrukturen auf Ungleichbehandlungen. Erst wenn Sie die Zahlen vor sich haben, können Sie Veränderungen vorantreiben. Denn auch wenn die (unangenehme) Überraschung groß ist, ist dies gleichzeitig der wichtigste Schritt, um diese Unterschiede zu beseitigen.
Transparenz und klare Spielregeln für alle
Um ungleiche Löhne bei gleicher Leistung anzupassen, sind klare Spielregeln und Kriterien für die Bewertung von Tätigkeiten und deren Bezahlung erforderlich. Besonders wichtig: Stellen Sie sicher, dass die Regeln für alle Mitarabeitenden gelten und transparent sind.
Die Herausforderung liegt genau hier, denn über Geld zu sprechen ist in Deutschland immer noch ein Tabuthema. Dabei geht es nicht darum, sämtliche Gehaltsvereinbarungen mit allen Einzelheiten auf die Website zu schreiben.
Aber es bedeutet, dass es keine Gehaltsunterschiede gibt, die nicht erklärt werden können.
Schaffen Sie klare Tätigkeitsbeschreibungen und Stellenbewertungen.
Welche Leistung ist wie viel wert und warum?
Welche Qualifikationen werden wie entlohnt?
Welche Rolle sollten Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit spielen?
Transparenz ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um zu gewährleisten, dass die klischeefreien, neutralen und objektiven Strukturen tatsächlich zu fairer Bezahlung aller Beschäftigten im Unternehmen führen. Nur Transparenz schafft Vertrauen.
Frauen unterstützen, wenn sie Mutter werden
Geht es darum, eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen, ist der kontinuierliche und ehrliche Austausch zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten wichtig. Wir haben bereits in diesem Blogbeitrag die Vorteile einer familienfreundlichen Unternehmenskultur und die Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit ausführlich beschrieben – hier zum Blogbeitrag.
Zum Schluß möchten wir nochmal an alle Unternehmer, Personalverantwortliche, Manager und Führungskräfte appellieren, die Elternkompetenz anzuerkennen, die Gehaltsstrukturen zu analysieren und Ungleichheiten aufzulösen. Transparenz ist der Schlüssel und Kommunikation die Tür. Beides zusammen kann den Gender Pay Gap und speziell die Situation für Mütter positiv verändern. Das zahlt sich für alle Seiten aus, für Mütter, Väter, Arbeitgeber und nicht zuletzt für unsere Gesellschaft.
Zum Weiterlesen
Tagesspiegel, April 204
Elternschaft verstärkt Ungleichheit: Mütter verdienen in Deutschland bis zu 80 Prozent weniger als Väter
ifo Institut, Sept. 2023
ifo Podcast: Auf Augenhöhe? Neue Fakten zur Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland
Child Penalty Atlas des Princeton-Wissenschaftlers Henrik Kleven
Riff Reporter, Sept. 2022
Wie Frauen genauso viel verdienen wie Männer
Liz Mohn Stiftung, Mai 2022
Leading Mothers: Mütter sind die besseren Führungskräfte
Human Resources Manager, Okt. 2021
Wie sich der Gender Pay Gap über Nacht schließen ließe