Muss, soll oder kann eine Führungskraft auch Coach sein?
Ein umstrittenes Thema
Ob Führungskräfte ihre Mitarbeiter coachen müssen, sollen oder überhaupt können, ist schon immer umstritten (gewesen). Aber in einer Zeit mit neuen Ansprüchen an Führung (Stichworte demographischer Wandel, Krisen, Pandemie, Home Office, New Work) ist zeitgemäßes Führen nicht doch eine Kombination aus Mitarbeiterführung und Mitarbeitercoaching? Führungskräfte soll(t)en doch ihre Mitarbeitenden entwickeln, binden, motivieren und gleichzeitig ansprechbar sein, begleiten und doch auch ein bißchen führen?!
Mit dieser Frage beschäftige ich mich, seitdem ich meine erste Führungsaufgabe übernommen habe.
Mein erstes Seminar, das ich als junge Führungskraft besuchen durfte, nannte sich „Die Führungskraft als Coach“. Ich hatte es mir selbst ausgewählt, da ich das Thema schon immer sehr spannend fand. Kurze Zeit danach lernte ich in einem weiteren Kurs die „Grundlagen der Führung“ kennen. Beide waren großartige und sinnvolle Weiterbildungen, von denen ich nachhaltig profitiert habe, die Reihenfolge würde ich heute auf jeden Fall anders wählen.
Sehen sich Führungkräfte in der Rolle als Coach?
Lt. dem Hernstein Management Report 2022 sehen 9 von 10 Befragten die Zukunft von Führungskräften in einer Coach-Rolle. Mit jeweils 92 % haben Führungskräfte der Branchen Energie, Finanz und Logistik eine ganz besondere Affinität zum Coach/Führungs-Modell. Neben den beschriebenen neuen Parametern, steht die angestrebte Coach-Rolle möglicherweise in letzter Zeit noch stärker in Zusammenhang mit dem Fach- und Führungskräftemangel. Denn 70 % sehen sich in der Verantwortung, verstärkt Rücksicht auf die persönlichen Bedürfnisse von Mitarbeitenden nehmen zu müssen.
Dieses Engagement bzw. dieser Anspruch in allen Ehren. Um ihm zu genügen, sind da ein allzeit offenes Ohr und einfühlsames Zuhören bei privaten Problemen wirklich ausreichend oder gar angebracht?
Wie würde ein Coach agieren, wie eine Führungskraft? Kann eine coachende Führungskraft gelingen? Wo können Elemente des Coachings in der Führung sinnvoll angewandt werden und wo sind sie nicht sinnvoll, vielleicht sogar kontraindiziert bis hin zu übergriffig?
Ich bin skeptisch, aus persönlicher Erfahrung als Coach, aber auch in meiner Funktion als Ansprechpartnerin von Führungskräften auf verschiedenen Ebenen sowie als Führungskraft selbst.
Unter diesen Eindrücken habe ich 1999/2000 meine Sichtweise zum Coaching aufgeschrieben, an der sich im Grundsatz bis heute, über 20 Jahre später, nichts geändert hat.
Was ist Coaching?
Meine damalige Definition: „Durch das gemeinsame Durcharbeiten eines Problems schafft Coaching die Möglichkeit, Fähigkeiten auszuprobieren und zu erwerben. Dadurch ergibt sich für den Coachee die Möglichkeit Herausforderungen mit seinen eigenen Mitteln kreativ zu lösen. Der Coachingprozess fördert die eigenen Gedanken.
Ein Coach hilft Menschen, ihr Ziel zu finden und zu erreichen. Er fühlt sich in eine Person ein mit der Absicht, ihr Potential zu entfalten und zu entwickeln.“
Aber kann eine Führungskraft so verstandenes Coaching überhaupt leisten?
Meiner Ansicht nach ist dies nicht möglich. Coaching stößt an seine Grenzen, wenn äußere Ziele, wie z.B. Unternehmensziele, den Rahmen vorgeben. Denn der Coach spricht die intrinsische Motivation an und diese beiden Ziele sind oftmals nicht deckungsgleich. Zudem fehlt einer Führungskraft naturgemäß die nötige Distanz und Unabhängigkeit, um die Funktion und die Zielsetzung eines Coachings zu übernehmen. Die persönlichen Ziele des Mitarbeitenden stehen den unternehmerischen der Führungskraft entgegen.
Dies war eine Erfahrung, die ich als junge Führungskraft machen musste und die für mich (und mein damaliges Team) nicht einfach war. Man kann niemanden auf externe Ziele hin „coachen“. Mit dieser Erkenntnis bin ich allerdings in Führungskreisen immer wieder auf Widerstand gestoßen: Im oberen Management und auch in den Personalabteilungen herrschte zu diesem Punkt oftmals eine andere Sichtweise, wurde Coaching als Führungsinstrument zur Durchsetzung der Unternehmensziele angesehen.
Trotzdem, wie könnten Coachingansätze in der Führung gelingen?
Immer häufiger wird der Begriff Managerial Coaching verwendet. Das ist kein neuer Begriff, aber er taucht in den letzten Monaten zumindest gefühlt häufiger in Fachmagazinen und Personalblogs auf. Er ist weniger vorbelastet als die coachende Führungskraft und ich habe nun endlich einen Namen für die Vorgehensweise, die ich im Rahmen der Führung sehr schätze.
Definition Managerial Coaching
Managerial Coaching meint die situative Anwendung von ausgewählten Coaching- aber auch Führungstechniken durch Führungskräfte. Es ist ein unterstützender Führungsstil, der zur Selbstreflexion und zum Perspektivwechsel anregen soll. Es soll die Ressourcen, die in den Mitarbeitenden liegen, aktivieren und entfalten.
Coachingtechniken unterstützen
Wichtige Techniken, die ich in diesem Zusammenhang anwende, sind die offenen Fragen, das aktive Zuhören, aber auch das Schweigen, um dem anderen die Zeit zu geben, die für ihn passende Antwort zu finden. Diese Techniken besitzen ein enormes Potential in der Führung. Sie geben dem Gesprächspartner viel Raum zur freien Beantwortung. Mitarbeitende, die eher wortkarg sind, kommen einfacher aus sich heraus, als wenn sie mit Ja und Nein antworten können und man ihnen die Zeit lässt, ihre Gedanken in Worte zu fassen.
Offene Fragen (W-Fragen) besitzen einen besonderen Zauber und eine besondere Kraft. Sie können eingefahrenes Denken wieder in Bewegung bringen, neue Denkräume öffnen, jemanden auf ganz andere Ideen bringen und so zu wirklich kreativen Lösungen führen.
Wenn Managerial Coaching in diesem Sinne als ein Bestandteil der Führungsmethoden verstanden wird, profitieren am Ende beide – die Führungskraft und der Mitarbeitende.
Gern unterstütze ich Führungskräfte mit unserem Coachingangebot, um Führung zeitgemäß, souverän und angemessen zu meistern.
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