Quiet Quitting – wenn Mitarbeitende andere Prioritäten setzen
Wieder ein Buzzword der Medien?
Immer wieder scheuchen neue Trends und Studien sowohl HR-Verantwortliche als auch Führungskräfte und Management auf. Waren es gestern noch Diversity, Inclusion, New Hiring und Purpose, sind es heute Big Quit, Great Resignation und jetzt eben Quiet Quitting, die ihnen vor die Füße geworfen werden.
Was ist dran an Quiet Quitting? Betrifft das Deutschland, sind Aktionismus und Gegenmaßnahmen der Unternehmen erforderlich? Oder ist das wieder nur ein Buzzword der Medien? Eine kurze Interpretation und einige Ansatzpunkte für die „Lösung des Problems“ erwarten Sie in diesem Blogbeitrag.
Quiet Quitting – kein Trend, eine Einstellung zum Leben
Der Begriff und seine Popularität bei den Millenials und der Gen Z hat seinen Ursprung in dem sozialen Netzwerk TikTok in den USA. Der TikToker Zaid Khan (Zaidleppelin) veröffentlichte im Sommer 2022 ein Video mit seiner Interpretation von Quiet Quitting (Link zu TikTok).
Darin schreibt er u.a.
Quitting the idea of going above and beyond at work.
Verabschiede dich von der Idee mehr zu arbeiten als du musst.
Work ist NOT your life. Your Worth ist not defined by your productive output.
Arbeit ist nicht dein Leben. Dein Wert definiert sich nicht durch deine Produktivität.
Über 490.000 Likes und 4.600 Kommentare stimmen diesen Aussagen zu und zeigen, dass er nicht der einzige ist, der diese Erkenntnis in seinem Berufsleben gewonnen hat.
Quiet Quitting versteht sich als eine Art (Lebens)Einstellung zum Job, zum Leben mit und nicht für den Job. Quiet Quitting ist keine aktive Handlung, die in einer Kündigung endet. Daher ist die Übersetzung mit „innerer Kündigung“ nicht passend. Wer innerlich gekündigt hat, ist auf dem Sprung, wartet auf eine Gelegenheit, sucht sie vielleicht ganz bewußt und möchte einen Wechsel. Er ist für nichts mehr zu gewinnen und eher ein Bremser. Beim Quiet Quitting sprechen wir passenderweise vom etwas angestaubten „Dienst nach Vorschrift“. Der Job ist wichtig, aber nicht das wichtigste. Die Arbeit ist o.k., der Arbeitgeber auch, alles paletti soweit. Und trotzdem – mehr als man muss, muss man eben nicht, es gibt noch andere Prioritäten.
Besteht Handlungsbedarf?
Tangiert Sie als Unternehmer, als Personalverantwortlicher dieser neue „Trend“ aus den USA? Wir von CONSIGEN finden schon, denn auch in den deutschen Medien (siehe Quellenangaben) ist Quiet Quitting ein Thema. Und wenn es diskutiert wird, ist in der Regel auch eine Relevanz in den Unternehmen bzw. den Beschäftigen vorhanden.
Wenn jüngere Mitarbeitende ihre Arbeit als Notwendigkeit, aber nicht als Mittelpunkt ihres Lebens betrachten, ist die Bereitschaft z.B. für Überstunden äußerst gering. Pünktlich Feierabend ist das Ziel, denn das Leben fängt nach der Arbeit an. Wir arbeiten um zu leben, nicht umgekehrt. Im Grunde eine gesunde Einstellung zur Arbeit. Karriere wird neu definiert und schon lange nicht mehr über Geld und Statussymbole wie Firmenwagen, Positionen und Bonusmeilen für Vielflieger.
Persönliche Grenzen
Damit ist aber klar, worum es immer mehr Mitarbeitenden geht und welche Auswirkungen dies haben kann. Denn an die Extrameile haben sich viele Führungskräfte gewöhnt. Das Gespräch mit dem Chef in der Mittagspause, die dann keine mehr ist. Die halbe Stunde, die man regelmäßig länger bleibt, um den nächsten Tag vorzubereiten. Die Zusatzaufgaben und Gefälligkeiten für den Vorgesetzten, die oben drauf kommen. Aufgaben, die mit ins Wochenende genommen werden. Das wird bewußt verweigert, als eine Art stiller Protest. Persönliche Grenzen werden gesetzt und eingehalten. Als Gegenentwurf der Selbstaufgabe eines Workoholics der 1980er und 90er, treten beim Quiet Quitting Selbstachtung und Selbstfürsorge in den Vordergrund – quasi eine Weiterentwicklung des Work-Life-Balance Trends.
Ist die Angst für Unternehmen begründet?
Quiet Quitting bedroht Unternehmen nicht unmittelbar. Die Mitarbeitenden sind ja leistungsbereit, in der festgesetzten Zeit. Trotzdem sollten Führungskräfte diese stille Protesthaltung als Warnzeichen erkennen, das (wieder einmal) zeigt, wie wichtig es ist, seine Mitarbeitenden nicht als Ressource zu sehen, sondern als Menschen mit Bedürfnissen, Wünschen, Talenten und Privatleben. Wurden früher zarte Anfänge des Anspruchs auf Work-Life-Balance mit Maßnahmen wie Rückentraining und Teambuilding im Kletterpark begegnet, wird dies nicht mehr ausreichen.
Der Mindset hat sich verändert, nicht nur, aber besonders für Menschen, die jetzt in das Berufsleben einsteigen oder dort gerade erst Fuß fassen. Für sie steht das Privatleben im Mittelpunkt, nicht die Arbeit. Zudem gibt ihnen die Umkehr vom Arbeitgeber- zum Kandidatenmarkt eine ausgezeichnete Ausgangsposition, ihren Job entsprechend zu gestalten. Den Unternehmen bleibt aber immer die Chance, darauf zu reagieren.
Ansatzpunkte für mehr Zufriedenheit
Nur zufriedene Mitarbeiter bleiben einem Unternehmen treu, sind motiviert und leistungsbereit. Diese Zufriedenheit zu gewährleisten, fordert die Unternehmen heraus. Sie müssen über den Obstkorb und das Weihnachtsgeld hinaus es schaffen, ihre Beschäftigten zu halten und zu motivieren.
Quelle: Capterra
Die Studie von Capterra zur Unternehmenskultur aus 2022 hat fast 1.000 Beschäftigt aus Deutschland online befragt. Wir finden, sie bietet einige gute Ansatzpunkte für die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit.
4 Faktoren aus der Studie sind auch 4 Chancen für Unternehmen
Faktor Vergütung
Lohnanpassungen dürfen nicht tabu sein. Ihr Ziel sollte mindestens eine faire Bezahlung sein, die auch Überstunden einschließt. Durchschnittlich arbeiteten 2021 rund 4,5 Millionen Menschen in Deutschland länger als vertraglich vereinbart (Statistisches Bundesamt). Immerhin 29% der Betroffenen arbeiteten sogar wöchentlich 15 Stunden zusätzlich. Wenn sich Überstunden also wirklich nicht reduzieren lassen (Stichwort Arbeitsprozesse optimieren/digitalisieren), sollten sie entlohnt werden.
Faktor Arbeitsplatzsicherheit
Das Sicherheitsbedürfnis ist extrem hoch in diesen Zeiten. Spekulationen und Gerüchte über die Lage des eigenen Arbeitgebers machen schnell die Runde. Die Zukunftssicherheit des Unternehmens muss Teil einer (hoffentlich sowieso gelebten) offenen, transparenten Kommunikationskultur sein. Gehen Sie auf die Ängste ein und tun Sie sie nicht als unwichtig ab.
Faktor Soziale Interaktion
Das Verhältnis zu den Kollegen ist unter den Top 3 der Umfrage. Wie Arbeitsfreundschaften gefördert werden können in Zeiten hybrider Teams? Z.B. mit regelmäßgen sozialen internen Veranstaltungen. Bringen Sie die Menschen wieder zusammen, vielleicht kombiniert mit Sinn und Nachhaltigket wie bei einer gemeinsamen Baumpflanzaktion. Gemeinsame Erlebnisse schweißen zusammen und man lernt sich besser kennen. Abteilungsdenken wird durchbrochen, meist verbessert dies die Produktivität.
Faktor Work-Life-Balance
Der Erhalt der Gesundheit für ein selbstbestimmtes Leben ist das Ziel beim Quiet Quitting. Ständige Erreichbarkeit auch im Urlaub, Überstunden, zu kurze Pausen, Arbeit am Wochenende – die Grenzen verschwammen in den letzten Jahren immer stärker, nicht zuletzt durch den Anspruch der 24/7 Erreichbarkeit bei Führungskräften. Das ist (und war es nie) zeitgemäß. Die Trennung von Job und Leben muss wieder normal werden, ohne schlechtes Gewissen oder Sanktionen.
Problem gelöst?
Können Unternehmen mit diesen oder ähnlichen Maßnahmen einen Quiet Quitter umstimmen, wieder 150% Leistung zu bringen? Eher nicht und das kann und sollte nicht das Ziel sein. Sein Wunsch nach einem Leben, das nicht über die Arbeit definiert wird, hat viele Ursachen und ist im Grunde ein gesundes Ziel. Darum müssen Unternehmen genau hinhören, um mehr Handlungsspielraum zu bekommen. Ignorieren Führungskräfte Mitarbeitende, die „Dienst nach Vorschrift“ machen, kommt vielleicht nach dem Quiet Quitting der tatsächliche Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber, der die Zeichen der Zeit früher erkannt hat.
Fachartikel aus verschiedenen Quellen für Sie zum Weiterlesen:
Fachartikel Spiegel Magazin
Persoblogger
Personalwirtschaft
Arbeits ABC