Schichtarbeit familienfreundlich gestalten. Mehr Plan. Mehr Balance.
Unser Anspruch wächst – wir wollen alles immer und überall und jederzeit
Laut Eurostat arbeiteten 2023 rund 14,8 Prozent der 15 – 64-jährigen Arbeitnehmer in Deutschland in Schichtarbeit. Unabdingbar ist sie in vielen Branchen wie z.B. bei der Polizei, im Krankenhaus, Flughafen, der Industrie, bei Bus/Bahn oder im Handel. Der Bedarf an Menschen, die in Schicht arbeiten, nimmt stetig zu: Zum einen, weil wir immer häufiger erwarten, dass Dienstleistungen 24/7 abrufbar sind (siehe auch Logistik im Rahmen des E-Commerce), zum anderen, weil Branchen wie das Gesundheitswesen wachsen.
Es gibt immer Möglichkeiten
Aber – Schichtarbeit ist nicht gleich Schichtarbeit. Es macht einen großen Unterschied, ob Mitarbeitende in der Industrie in einem festen Dreischichtbetrieb mit Jahreseinsatzplanung arbeiten oder in einem Krankenhaus. Denn so unterschiedlich wie die Betriebe und ihre jeweiligen Anforderungen sind, so unterschiedlich sind auch die Möglichkeiten, Schichtarbeit familienfreundlich zu gestalten. Doch sie sind vorhanden, wenn Arbeitgeber sich dieser Herausforderung stellen.
Arbeitgeber tragen Verantwortung
Arbeitgeber tragen gemeinsam mit ihren Beschäftigten die Verantwortung für deren Gesundheit im Rahmen ihrer Arbeitszeit. Dies gilt bei Schichtarbeit ganz besonders, fordert gleichzeitig den Willen zur Verbesserung. Arbeitgeber können zum Beispiel Arbeitsbedingungen und Schichtpläne nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen ergonomisch gestalten. Da Menschen grundsätzlich als tagaktiv gelten, arbeiten Schichtbeschäftigte häufig gegen ihren Biorhythmus. Studien zeigen, dass Beschäftigte, die in Schichten arbeiten, ihren Gesundheitszustand subjektiv schlechter einschätzen und häufiger über gesundheitliche Beschwerden klagen als Beschäftigte mit regulären Arbeitszeiten. Hinzu kommt, dass das Privatleben oft darunter leidet. Familie, Freundschaften und Arbeit unter einen Hut zu bekommen, ist oft eine echte Herausforderung.
Hat das Arbeiten in Schichten nicht auch Vorteile?
Auf den finanziellen Aspekt, der die Schichtarbeit reizvoll macht, gehen wir an späterer Stelle ein. Hier möchten wir kurz auf die Vorzüge der Schichtarbeit eingehen. Sie kann trotz der Herausforderungen, auch einige Vorteile für das Privatleben und die Familie bieten:
Flexibilität im Tagesablauf:
Schichtarbeit ermöglicht es Menschen, tagsüber Zeit mit der Familie zu verbringen, wenn andere arbeiten. Das kann besonders vorteilhaft sein, um Kinder zu betreuen, an Schulaktivitäten teilzunehmen oder persönliche Termine wahrzunehmen.
Weniger Staus und Stress:
Antizyklische Arbeitszeiten bedeuten auch, den Berufsverkehr zu vermeiden. Dies kann die Pendelzeit verkürzen und mehr Zeit für die Familie schaffen.
Möglichkeit zur Freizeitgestaltung:
Einige Schichten bieten längere zusammenhängende Freizeitblöcke, in denen Familien gemeinsame Aktivitäten planen oder Kurzurlaube unternehmen können.
Günstigere Betreuungslösungen:
Eltern mit unterschiedlichen Arbeits- bzw. Schichtzeiten können die Betreuung der Kinder so organisieren, dass sie weniger auf externe Betreuung angewiesen sind.
Höhere Verfügbarkeit bei Terminen:
Durch flexible Arbeitszeiten können Schichtarbeitende bei wichtigen Terminen wie Arztbesuchen, Elternabenden oder Schulveranstaltungen präsenter sein.
Schichtarbeit bietet somit Potenzial für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wenn die Arbeitszeiten gut geplant und abgestimmt sind. Wie kann das gelingen?
Wie Unternehmen familienfreundlichere Voraussetzungen schaffen können
Damit der Schichtdienst familienkompatibel wird, muss er flexibel und individuell gestaltet werden – natürlich immer im Rahmen des Möglichen. Grundsätzlich ist es aber so, dass es Mitarbeitenden, die nach ihren individuellen Vorlieben in den Schichtdienst integriert werden, leichter fällt sich an diesen Rythmus zu gewöhnen und ihn in ihr Leben zu integrieren. Damit Schichtdienst und Familie zusammen funktionieren, müssen alle mitmachen.
Sicherlich sind HomeOffice, Remote-Work, Gleitzeit oder ähnliches bei Schichtarbeit nicht möglich. Stattdessen gibt es andere Aspekte, die ganz oben auf der Wunschliste der Beschäftigten stehen. Es sind Planbarkeit und Verlässlichkeit, aber auch Flexibilität, die die Schichtarbeit angenehmer machen und eine bestmögliche Work-Life-Balance ermöglichen. Dabei ist Verlässlichkeit der entscheidende Punkt. Denn gerade, wenn es um die Organisation von Beruf und Familie geht, sind die Mitarbeitenden darauf angewiesen, dass man verlässlich und mit einem zeitlichen Vorlauf planen kann.
Schichtarbeit und ein harmonisches Familienleben – das kann funktionieren
Es gibt keine pauschale Lösung für alle Unternehmen. Es sind immer individuelle Lösungen und die Bereitschaft, diese umzusetzen. Arbeitgeber müssen sich auf die individuelle Lebenssitutation des Mitarbeitenden einstellen, ob es das Alter oder die familiäre Situation ist.
Eltern mit kleinen Kindern benötigen etwas anderes als Eltern von Schulkindern oder Beschäftigte, die Angehörige pflegen. Am besten nehmen Unternehmen die Lebensphasenorientierung schon in ihrer Personalarbeit mit auf. Denn nur mit passenden Vereinbarkeitslösungen gelingt es, Fachkräfte zu halten und neue zu gewinnen.
Aktiv einbinden
Für einen familienfreundlichen Schichtplan müssen Unternehmen ihre Beschäftigten aktiv in die Schichtgestaltung einbinden. Sie sind der Planung nicht passiv ausgesetzt, sondern können aktiv mitgestalten.
Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht immer alle Wünsche umsetzbar sind. Dann muss ein Kompromiss gefunden werden, aber wir empfehlen, zuerst die Kollegen dies untereinander regeln zu lassen. Ein gewisses Maß an Vertrauen ist wichtig, dann fühlt sich keiner bevorzugt bzw. benachteiligt. In der Regel funktioniert dies gut.
Führungskräfte fungieren an dieser Stelle eher als Moderatoren oder Schlichter. Sie können unterstützen, damit keiner ausgenutzt wird. Eingreifen sollten sie auf jeden Fall, wenn sich Mitarbeitende ohne Familie schlechter gestellt fühlen als die mit Familie. Gemeinsam kann ein Kompromiss ausgehandelt werden, aber immer mit den Mitarbeitenden, nicht über ihre Köpfe hinweg.
Kommunikation und Transparenz
Sie erkennen sicherlich schon, wie wichtig eine offene und transparente Planung ist und dass diese frühzeitig kommuniziert wird. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Person, die die Planung macht, von den Wünschen und persönlichen Situationen der Mitarbeitenden weiß. Dies kann über digitale oder analoge Medien erfolgen, aber hauptsächlich ist es die Aufgabe der Führungskraft, diese Aspekte in regelmäßigen Gesprächen mit Mitarbeitenden herauszuarbeiten. Hinterfragt werden müssen neben beruflichen Zielen und Wünschen auch private Aspekte, die bei der Schichtplanung berücksichtigt werden sollten. Wenn sich alle Akteure im Betrieb verständigen, stehen die Chancen gut, gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden.
Hilfreich sind im gesamten Planungsprozess der Einsatz von intelligenten Personalplanungssystemen und einem klaren internen Kommunikationssystem. Ein wichtiger Teil davon ist eine gute, sinnvolle Vertretungsregelung mit einem Springerpool. Denn bei aller Planung, ein Plan B schafft bei unverhofften Ereignisse oder Lücken echte Handlungsoptionen.
Aber was ist mit Schichtarbeit im Alter?
Das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen steigt, damit einher geht eine nachlassende Regenerationsfähigkeit, die bei Schichtarbeit besonders wichtig ist. Ebenso fällt ihnen körperliche Arbeit schwerer. Dieser Punkt ist aber mit ergonomischen Maßnahmen relativ leicht zu verbessern. Sie müssen nur genau hinschauen. Prüfen Sie die aktuelle Arbeitsplatzsituation und investieren Sie in die gesunde Arbeitsplatzgestaltung und damit in die Leistungsfähigkeit älterer Beschäftigter.
Werden Sie sich bewußt, dass ältere Mitarbeiter, der demographische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel, es notwendigt machen, Arbeitsplätze so zu gestalten, dass auch Schichtarbeitende über 50 problemlos dort arbeiten können und wollen. Denn mit ihren Fähigkeiten und ihrer Erfahrung, sind sie ein wertvolles Gut für die Unternehmen. Oft ist es immer noch eine Bewertung von Mängeln bei den Best Agern über 50 Daher halten wir einen Wechsel im Mindset für notwendig, damit nicht ihre Defizite bewertet, sondern Kompetenzen gesehen werden. Es zählt nicht, was ein älterer Beschäftigter nicht mehr kann, sondern was er immer noch kann und wie diese Kompetenzen erhalten werden können. Hier liegt die Pflicht bei den Arbeitgebern, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um diese Mitarbeitenden zu halten und entsprechend einzusetzen.
Weitere Ansatzpunkte für eine attraktive und gesunde Schichtarbeit
Ergonomische Planung
In der Schichtplanung sollten – unabhängig von Alter und Lebensphase – die bekannten arbeitswissenschaftliche Empfehlungen berücksichtigt werden. Mit einem ergonomischen Schichtsystem können gesundheitliche und soziale Beeinträchtigungen minimiert werden. Einige Eckpunkte hierzu:
- Möglichst wenige Nachtschichten in Folge
- Möglichst 24 Stunden Freizeit nach einer Nachtschichtphase
- Vorwärtsrotierende Schichtsysteme bevorzugen
- Nachtschichtende nicht zu spät
- Frühschichtbeginn nicht zu früh
- Kurze Schichtdauer bei schwerer Arbeit
- Überlange Arbeitszeiten vermeiden (bereits ab 8,5 Std./Tag steigt die Fehlerhäufigkeit)
Zeit statt Geld als Ausgleich
Für viele ist die Nacht- und Schichtarbeit aufgrund der verschiedenen Zuschläge besonders attraktiv. Diese können Arbeitnehmende dazu verleiten, die eigene Belastungsgrenze zu missachten. Es fehlt an der notwendige Regeneration, die nur durch Erholungszeiten erzielt werden kann, nicht aber durch finanzielle Vergütung.
So gesehen sind (ausschließliche) finanzielle Anreize problematisch und ein Zeitausgleich an Stelle eines finanziellen Ausgleichs eine Überlegung wert. Dies kann beispielsweise durch die Umwandlung von Zeitzuschlägen in Zeitguthaben und deren Ausgleich durch Freizeit oder durch die Reduktion der Wochenarbeitszeit geschehen. So ist es möglich, dass zum gleichen Lohn insgesamt pro Woche weniger gearbeitet wird, wodurch mehr Zeit für die Familie und das Privatleben bleibt. Im Ergebnis bleiben ausgeruhte Beschäftigte eher gesund und sind leistungsfähiger.
Kinderbetreuung
Kinderbetreuung spielt (nicht nur bei Schichtarbeitsmodellen) eine immer größere Rolle bei der Arbeitsplatzgestaltung und dem Gewinnen von Fachkräften. Ausführlich haben wir die familienfreundliche Unternehmenskultur mit diesem Blogbeitrag beleuchtet.
Je nach Schichtmodellen ist das Implementieren von Schichtarbeit bei den Kita-Mitarbeitenden notwendig. Nur so kann eine Betreuung außerhalb der üblichen Bürozeiten ermöglicht werden. Und natürlich ist auch hier wieder ein verlässlicher Schichtplan die Basis für eine erfolgreiches Betreuungsangebot.
Ein Aufwand, der sich lohnt. Denn oft ist eine flexible Betreuung die Voraussetzung für viele Mütter und Väter, sich für einen Arbeitsplatz mit Schichtarbeit zu entscheiden. Sicherlich ein umfangreicheres Projekt, denn eine Betriebskita lohnt sich meist erst ab einer gewissen Betriebsgröße. Aber lohnenswert, denn immer noch fehlen allein in NRW mehr als 110.000 Kita-Plätze (Stand 2023). Es gibt hierfür Förderungen und viele erfolgreiche Praxisbeispiele.
Neben einer Kita können aber auch Notbetreuung, Ferienbetreuung und die Vermittlung von Dienstleistern eine große Hilfe sein.
Verlässlichkeit des Schichtplans
Die Planbarkeit der persönlichen Freizeit ist für Schichtarbeitende von großer Bedeutung, da jede Änderung im Schichtplan zusätzliche Anpassungen von allen Beteiligten erfordert. Ein nachträglich geänderter Schichtplan erschwert es, Termine wie Arztbesuche oder Elternabende zu koordinieren. Kurzfristige Änderungen in der Schichteinteilung lassen sich nicht immer vermeiden. Deshalb sollten Führungskräfte im Voraus Regeln für den Umgang mit solchen Situationen festlegen.
Freie Abende
Die späten Nachmittage und Abende sind sozial besonders wertvoll, da in dieser Zeit die besten Gelegenheiten bestehen, soziale Kontakte zu pflegen. Deshalb sollten freie Nachmittage und Abende möglichst regelmäßig und in kurzen Abständen eingeplant werden. In jeder Arbeitswoche sollten mindestens zwei freie Abende vorgesehen sein.
Freizeit am Stück
Längere Freizeitblöcke bieten die Möglichkeit, größere Vorhaben oder Aktivitäten umzusetzen. Lange Wochenenden tragen ebenfalls dazu bei, sozialer Isolation vorzubeugen und die Lebensqualität zu steigern. Wochenenden sind besonders wichtig für die Freizeitgestaltung, da sich an diesen Tagen die gesamte Familie trifft und Freunde Zeit haben.
Wenn diese Aspekte und sicherlich noch weitere berücksichtigt werden, lässt sich die Schichtarbeit deutlich besser mit dem Familienleben und den sozialen Verpflichtungen in Einklang bringen.
Zum Weiterlesen
Die Techniker – Fachbeitrag 2022
Schicht für Schicht gesund – Tipps für Arbeitgeber
inkl. Broschüre (PDF)
Personalwirtschaft 2024
Wie wird Schichtarbeit familienfreundlicher?
statista (Premium Statistik)
Anteil der Erwerbstätigen in Deutschland, die Schichtarbeit leisten, in den Jahren 1992 bis 2023
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