Recruiting-Trends

Spurlos verschwunden! Wenn Unternehmen Ghosting erleben.

Kompletter Kontaktabbruch ohne Vorankündigung

Sogenanntes Ghosting ist ein Verhalten, das seit einigen Jahren nicht nur in Beziehungen anzutreffen ist. Seit den letzten Jahren ist für Unternehmen das Job-Ghosting spürbar zum Problem geworden. Bewerber sind spurlos verschwunden, brechen den Kontakt ab und können nicht mehr erreicht werden.

Eine Befragung der Jobbörse Indeed und der Marktforschungsfirma Appinio unter 400 Recruitern in deutschen Firmen im Sommer 2022 zeigt, dass bei knapp 56% das Ghosting durch Bewerber zugenommen hat.

Wenn aber Bewerber untertauchen, gibt es immer Gründe. Sie zu kennen, ist der erste Schritt zur Lösung des Problems. Und dieses zu lösen, lohnt sich. Kein Unternehmen kann es sich in diesen Zeiten des Fachkräftemangels leisten, potentielle Kandidaten zu verlieren und gleichzeitig wertvolle Ressourcen wie Zeit und Budget zu verschwenden.

Seit einigen Jahren ein Problem: Job-Ghosting

Der Trend des Job-Ghosting ist kein neues Phänomen. Laut einer Indeed-Umfrage aus dem Jahr 2019 beobachtete man das Phänomen bereits vor der Pandemie in den USA, mit steigender Tendenz. Laut der Studie von Indeed (Employer Ghosting: A Troubling Workplace Trend) aus Februar 2021, bei der 500 Jobsuchende und 500 Mitarbeitende in den USA übergreifend aus verschiedenen Branchen befragt wurden, wird Ghosting immer mehr zu Problem:

76% der Arbeitgeber haben Ghosting in den letzten 12 Monaten erlebt und gleichzeitig haben 28% der Bewerber schon einmal abrupt den Kontakt zu einem Arbeitgeber abgebrochen. Zwei Jahre zuvor (2019) waren es noch 18%.

Was genau versteht man unter Job-Ghosting?

Ghosting oder auch Job-Ghosting ist das spurlose Verschwinden eines Bewerbungskontaktes, inzwischen an jeder Stelle der Candidate Journey. Und betrachtet man die gesamte Kandidatenreise, gibt es etliche Punkte, an denen es zum Turnaround des Kandidaten kommen kann.

  • In der ersten und weiteren Kontaktaufnahme per E-Mail oder Telefon
  • Bei der Planung und Durchführung von Vorstellungsgesprächen.
  • In der Phase des konkreten Angebots mit Vertrag
  • oder sogar am ersten Arbeitstag, wenn der neue Mitarbeiter einfach nicht erscheint.

Ist dieses Verhalten nur lästig, eine Ausnahme oder ein Hinweis auf ein größeres Problem in Ihrem Unternehmen?

Gründe für Ghosting im Recruiting

Ghosting ist im Recruiting heutzutage keine Seltenheit mehr. Aus eigenem Erleben ist mir auch schon Ghosting in der Personalsuche für Kunden widerfahren. Einmal steckte ein Unfall dahinter und das andere ist ein sehr aktueller Fall, der sich aber noch nicht geklärt hat. Grundsätzlich passiert mir dies sehr selten, da ich einen engen Kontakt mit den Kandidaten halte.

Ist dies nicht der Fall, kann sich das Ghosting-Phänomen in Ihrem Unternehmen ausbreiten und beispielsweise darauf hindeuten, dass Kandidaten sich Ihrem Unternehmen nicht verpflichtet oder verbunden fühlen. Vielleicht wurden seine Erwartungen nicht erfüllt, der Kandidat wollte nur mal seinen Marktwert testen, er bekommt ein besseres Angebot … die Gründe sind vielfältig. Leider hat es sich eingebürgert, statt abzusagen oder nachzuverhandeln, wird vielfach der Kontakt lieber abgebrochen. Unhöflich, aber leider inzwischen alltagsauglich.

Zudem befinden sich Kandidaten heute in einer Machtposition. Fach- und Führungskräfte werde händeringend in fast jeder Branche gesucht. Sie wissen es selbst, Ihr Mitbewerb sucht genauso verzweifelt wie Ihr Unternehmen und wird somit nicht nur beim Gewinnen von Kunden zur Konkurrenz, sondern auch beim Gewinnen von Mitarbeitenden.

Bewerber suchen sich die „Rosinen“ heraust und nutzen Ghosten als schnelle Möglichkeit, an jeder Stelle des Bewerbungsprozesses, sich von den vermeintlich schlechten Angeboten zu trennen.

Zudem ist Ghosten technisch unglaublich einfach – Telefonnummer blockieren, Email ungeöffnet löschen, Mailbox laufen lassen uvm. Die Digitalisierung schafft viele Möglichkeiten und eine gewissen Distanz und Anonymität.

Ghosting kostet Zeit und Geld

Ghosting hat auf allen Ebenen beträchtlichen Einfluss auf die Effizienz Ihres Recruitingprozesses. Allein bei der Planung und Vorbereitung von Vorstellungsgesprächen, oft unter Beteiligung mehrerer in den Prozess involvierter Mitarbeiter, nimmt einen Großteil der Zeit in Anspruch. Leider sehen heutzutage viele Kandidaten kein Problem darin, Vorstellungsgespräche unangekündigt oder spontan ausfallen zu lassen, gefolgt vom kompletten Abbruch des Kontaktes zum Unternehmen. Die Vorbereitung, aber auch die Zeit, in der Sie auf Bewerber warten, ist leider verlorene Zeit.

Um gegen Ghosting vorzugehen, sollte Ihr Team Maßnahmen ergreifen, die mit einer optimierten Kommunikation zwischen Recruitingteam und Kandidat beginnen.

Unsere Tipps gegen Job Ghosting im Recruiting

Klare und persönliche Kommunikation

Ghosting fällt Kandidaten einfacher, wenn sie von einem „Unbekannten“ aus dem Unternehmen angesprochen werden. Antwortet die Personalsachbearbeiterin oder ist es Frau xy, die vielleicht sogar mit Foto, dem Bewerber einen ersten Kontaktpunkt ins Unternehmen anbietet? Ist es eine automatisierte Nachricht oder eine individuelle, persönliche Ansprache, die den Kandiaten dort abholt, wo er steht? Wir empfehlen unseren Kunden immer, eine zwischenmenschliche Note in den Prozess einfließen zu lassen. So schaffen Sie eine Verbindlichkeit, die Ghosting erschwert. Beispielsweise kann dies ein erster kurzer Videocall sein, ein Telefonanruf oder eine persönliche E-Mail.

Noch ein Tipp: Werden Ihre Anrufe abgelehnt oder ignoriert, können je nach vorherigem Kontakt, SMS helfen, Ghosting vorzubeugen. 90% der Menschen öffnen eine SMS innerhalb der ersten Minuten und beantworten diese weitaus häufiger als eine E-Mail. Beachten Sie einige nachfolgende Regeln, kann dieser Kommunikationswechsel die Wahrscheinlichkeit steigern, dass Kandidaten Ihre Nachrichten lesen.

1. Holen Sie sich immer erst die Erlaubnis des Bewerbers ein, ihm eine SMS zu senden (z.B. beim Online-Kontakformular mit einer Auswahl an Kontaktmöglichkeiten)

2. SMS eignen sich sehr gut für automatisierte Benachrichtigungen zur Terminabsprache (Uhrzeit, Ort, Parkmöglichkeiten, Gesprächspartner) oder für kurze Rückfragen, nicht für Small Talk oder umfangreiche Gespräche.

3. Bleiben Sie bei reinem Text, nutzen Sie keine Emojis und Abkürzungen. Fassen Sie sich kurz und klar. Beenden Sie diesen Kommunikationsweg, wenn es um persönliche Fragen geht.

Terminvergabe Vorstellungsgespräch

Seien Sie flexibel bei Ihrem Terminangebot und bieten Sie auch Termine nach Feierabend oder am Wochenende an. Damit zeigen Sie, dass Sie auf die berufliche oder private Situation des Kandidaten eingehen. Nicht jeder Bewerber, möchte sich einen Tag Urlaub für das Vorstellungsgespräch nehmen oder kann aus anderen Gründen nicht zu „normalen“ Arbeitszeiten den Termin wahrnehmen. Je mehr Sie dem Kandidaten entgegenkommen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für die Zusage und sein Erscheinen.

Sicherlich sind intern ein paar Anstrengungen notwendig, damit die involvierten Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen zeitweise ihre Arbeitszeiten anpassen, um diese Termine zu ermöglichen. Aber vielleicht könnte ein Teammitglied an diesen Tagen später anfangen und dafür abends die Gespräche mit den Kandidaten führen. Ob dies in Präsenz abläuft oder Online ist von der jeweiligen Situation abhängig. In jedem Fall zahlt sich Flexibilität aus.

Überzeugendes Employer Branding

Nicht jedes Unternehmen bietet hippes Ambiente, modernste Technologien, angesagte Location oder flexible Arbeitsmodelle. Aber jedes Unternehmen hat Stärken und kann weiter an ihnen arbeiten, um in seiner Branche zum Wunscharbeitgeber zu werden. Aber bleiben Sie ehrlich und transparent. Was nicht ist, kann nicht mit großen Worten versprochen werden. Das ist auch nicht notwendig, denn viel wichtiger sind echte Werte, offene Unternehmenskultur und faire Konditionen mit Wachstumspotential. Es sind diese Faktoren, die Sie auf der Website und Social Media kommunizieren sollten.

Haben Sie bereits in eine Arbeitgebermarke investiert, fragen Sie sich doch lieber einmal, wie glaubwürdig sind Ihre Aussagen? Gibt es neben der Hochglanz-Karriereseite diverse schlechte Bewertungen auf z.B. kununu? Steht in Ihren Stellenbeschreibungen Zuverlässigkeit immer ganz oben, aber die Beantwortung einer Bewerbung dauert mehrere Wochen und wird manchmal ganz vergessen (Ghosting passiert ja leider immer noch häufig von Seiten des Arbeitgebers)? Passen Fremdbild und Selbstbild zusammen? Ein kritischer Blick schafft definitiv Klarheit und Handlungsspielraum.

Dabei hilft es Lücken in der Candidate Journey aufzuspüren. Durchlaufen Sie die ganze Kandidatenreise (fiktiv oder real mit einem Testbewerber). Wie sieht der Weg einer fremden Person einschließlich Vorstellungsgespräch und Vertragsunterzeichnung aus? Vielleicht finden Sie Schwachstellen, die Sie optimieren können.

Der erste Tag und keiner kommt?

Sie haben sich für einen Kandidaten entschieder, er hat den Vertrag unterzeichnet und Sie warten vergeblich am ersten Arbeitstag auf ihn, dann ist Ghosting besonders dramatisch.

Je länger die Zeit zwischen Unterzeichnung und Arbeitsbeginn ist, desto mehr sind Sie gefragt diese Zeitspanne geschickt mit kleinen Maßnahmen und Interaktionen zu füllen. Kommunizieren Sie im Unternehmen den Start des neuen Mitarbeiters, stellen Sie ihm andererseits die zukünftigen Kollegen über z.B. kleine Videos vor. Schicken Sie rechtzeitig alle Infos von Parken, Kantine bis Organigram an den Bewerber. Findet in der Zeit ein Team-Event statt, laden Sie ihn ein. Geben Sie ihm alle Informationen über die ersten Tage im Unternehmen sowie die ersten Meetingtermine (Onboarding). Schaffen Sie so eine starke Verbindung und erfahren Sie gleichzeitig früh genug von Bedenken oder Unstimmigkeiten. Damit schaffen Sie die besten Voraussetzungen für eine gute (zukünftige) Mitarbeiterbeziehung.

Sie möchten Ghosting vermeiden? Gern unterstützen wir Sie in Ihrem Recruitingprozess, der nicht nur die Suche passender Kandidaten umfasst, sondern auch das Aufrechterhalten des Kontakts und die Begleitung während des gesamten Prozesses. Sprechen Sie uns an.

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Artikel t3n: Job-Ghosting – immer mehr Bewerber tauchen nach Zusage ab

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