Recruiting

Treffsichere Peronalauswahl – den passenden Kandidaten wählen

Verzerrungen können das Urteil trüben

In der treffsicheren Personalauswahl liegt der Schlüssel zu einem erfolgreichen Teamaufbau und einem nachhaltigen Unternehmenserfolg. Doch wie oft trüben unbewusste Verzerrungen und Bewertungsfehler die Entscheidungsfindung? Wie oft führen falsche Annahmen oder mangelhafte Auswahlkriterien zu Fehlentscheidungen? Wie kann man sicherstellen, dass Entscheidungen auf fundierten Kriterien und nicht auf subjektiven Einflüssen basieren?

In diesem Beitrag geben wir Ihnen einige Einblicke aus unserer Personalberatungs-Praxis, um die größten Fallstricke in der Personalauswahl zu umgehen und die besten Talente für Ihr Unternehmen zu gewinnen. Viele Punkte erscheinen selbstverständlich und sollten es sein, aber nicht immer werden sie im täglichen Business berücksichtigt. Es schleichen sich Abläufe und Methoden ein, die zu hinterfragen oft die Zeit fehlt. Wir würden uns freuen, wenn Sie aus diesem Beitrag den ein oder anderen Impuls in Ihren Rekruitingprozess mitnehmen oder sich bestätigt fühlen in Ihren Abläufen. Und wenn Sie Impulse, Tipps oder Methoden vermissen, senden Sie uns diese gern über einen Kommentar zu.

Wie eigentlich immer, beginnt alles mit einer professionellen und umfassenden Vorbereitung, damit sich die richtigen Bewerber angesprochen fühlen.

1. Vorbereitung

Die Stellenbeschreibung ist entscheidend

Als Personalberater unterstützen wir mittelständische Unternehmen dabei, dass sich die passenden Kandidaten bewerben. D.h. die veröffentlichte Stellenanzeige sollte die Anforderungen des Unternehmens klar aufzeigen. Genauso sollte sie die Unternehmenskultur widerspiegeln und die zu besetzende Position attraktiv darstellen. Bei der Zusammenstellung empfehlen wir, folgende Aspekte zu beachten:

Klare und präzise Formulierung
Verwenden Sie eine prägnante, branchenübliche Bezeichnung als Jobtitel. Unkonventionelle Titel und Fantasie-Hierarchien verwirren nur und machen die Ausschreibung unglaubwürdig. Beschreiben Sie die Kernaufgaben und Verantwortlichkeiten der Position realistisch. Dies hilft Bewerbern, sich ein genaues Bild von der Rolle zu machen.

Listen Sie die wesentlichen fachlichen Qualifikationen und Erfahrungen auf, die für die Stelle erforderlich sind, aber unterscheiden Sie bitte unbedingt zwischen „Must-have“- und „Nice-to-have“, um realistische Erwartungen zu setzen. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. So fühlen sich auch Kandidaten angesprochen, die nicht jedes Kriterium zu 100% erfüllen. Sie fühlen sich ermutigt, wenn sie etwas die Möglichkeit von Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten lesen. Lernbereitschaft und Motivation sind wichtige soft skills, denn hard skills kann man im Zweifel erlernen.

Unternehmenskultur hervorheben
Jedes Unternehmen hat eine Unternehmenskultur und Werte, die das Miteinander positiv beeinflussen. Betonen Sie diese Werte ganz bewußt und wie diese in der täglichen Arbeit gelebt werden. Belegen Sie dies im Idealfall mit Beispielen, verweisen Sie evtl. auf Ihre Website oder Social Media. Beschreiben Sie die Teamdynamik, den Führungsstil und die Arbeitsweise im Unternehmen, um Bewerber anzusprechen, die sich in diesem Umfeld wohlfühlen. Diese Faktoren sind heutzutage, nicht nur bei Gen Z, oft viel entscheidender als Gehalt und Boni.

Attraktive und relevante Benefits
Der Trend geht eindeutig in Richtung Transparenz beim Gehalt. Wenn dies zu Ihrem Unternehmen passt, veröffentlichen Sie eine Gehaltsspanne. Dazu kommen Benefits wie flexible Arbeitszeiten, Home-Office-Möglichkeiten, betriebliche Altersvorsorge, Teamevents oder Weiterbildungsangebote. So mancher Benefit, den Sie gar nicht als solchen wahrnehmen, macht den Unterschied. Überlegen Sie, ob Sie einmal Mitarbeitende befragen, was für sie am wichtigsten ist.

Einladender und inklusiver Ton
Verwenden Sie eine geschlechtsneutrale und inklusive Sprache, um ein breites Spektrum an Bewerbern anzusprechen. Vermeiden Sie Formulierungen und Darstellungen, die eine bestimmte Altersgruppe oder ein Geschlecht bevorzugen.

Nehmen Sie sich Zeit für den Text und holen Sie sich fachliche Unterstützung aus dem jeweiligen Bereich. Durch eine durchdachte und gezielte Stellenbeschreibung erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, die passenden Bewerber anzusprechen, die sowohl fachlich als auch menschlich zu Ihrem Unternehmen passen.

2. Vorauswahl

Ene, mene, muh – raus bist du?

Wenn Bewerbungen eingehen (digital oder analog), sichten Sie diese zeitnah und nach folgenden drei Kriterien, um effizienter eine Entscheidung treffen zu können:

Fachliche Qualifikationen

  • Überprüfen Sie die Ausbildung, Praxiserfahrung und das Spezialwissen des Kandidaten
  • Bewerten Sie die Hard Skills und fachlichen Fähigkeiten
  • Zum Background-Check geben wir Ihnen hier einige Tipps

Persönliche Eigenschaften

  • Lesen Sie Soft Skills und sozialen Kompetenzen heraus, wenn möglich
  • Schätzen Sie die Persönlichkeit und den Cultural Fit zum Unternehmen ein

Formale Kriterien

  • Prüfen Sie die Vollständigkeit und Qualität der Bewerbungsunterlagen und die Einhaltung des gewünschten Bewerbungswegs

3. Bewerbungsgespräch

Jetzt wird es persönlich

Nachdem Sie die ausgewählten Kandidaten eingeladen haben, planen Sie das Bewerbungsgespräch mit den maßgeblich Beteiligten. Berücksichtigen Sie aber auch, dass trotz einer Vielzahl an Personen, die in die Entscheidung eingebunden sind, die Gefahr der vermeintlichen Objektivität besteht. Jeder Mensch hat ganz persönliche Vorurteile und Vorlieben, die zu eine falschen Bewertung führen können. Es lohnt sich, hier noch einmal genau hinzusehen, daher hier eine kurze Übersicht über mögliche Verzerrungen:

Erster Eindruck
Der erste Eindruck formt schnell ein stabiles Bild der Person, was die weitere Bewertung stark beeinflusst. Eine bewusste Fokussierung auf die notwendigen Kompetenzen kann diese Verzerrung abmildern. Zum Thema Foto im Lebenslauf haben wir ausführlich das Pro und Contra erläutert.

Sympathieeffekte durch Ähnlichkeiten
Gemeinsame Merkmale wie Herkunft oder Bildung können unbewusst zu einer positiven Verzerrung führen, was jedoch nichts über die tatsächliche Kompetenz aussagt.

Kontrastfehler
Führen Sie mehrere Gespräche hintereinander, kann nach einem enttäuschenden Gespräch ein (eigentlich) mittelmäßiger Bewerber im Vergleich dazu besser abschneiden, als er es wirklich verdient. Klare Kriterien für die Bewertung können helfen, diesen Fehler zu vermeiden.

Halo-Effekt
Der Halo-Effekt besagt, dass eine herausragende Eigenschaft, wie Attraktivität, andere Charakterzüge oder Merkmale überstrahlt und die Bewertung verzerrt.

Zentrale Tendenz
Es besteht eine Neigung, Bewertungen im mittleren Bereich vorzunehmen, besonders am Anfang eines Verfahrens, wenn noch Unsicherheiten bestehen. Daher muss im Nachgang feinjustiert werden, da jetzt das gesamte Rankingumfeld feststeht.

Implizite Persönlichkeitstheorie
Alle Menschen treffen ständig Annahmen, die auf Erfahrungen und daraus resultierenden Erwartungen beruhen. Sie sind nicht völlig willkürlich, sondern das Ergebnis von tatsächlichen Erfahrungen. Dadurch kommt es zu Annahmen darüber, welche Eigenschaften zusammengehören. Diese Stereotypen führen wiederum zu Schlussfolgerungen über nicht beobachtete Merkmale. Ist jemand gutaussehende, gehen wir eher von Kompetenz aus, hat eine Person ein unkonventionelles Outfit an, ist sie kreativ.

Erwartungen
Vorurteile oder Voreinstellungen beeinflussen die Bewertung und verhindern eine neutrale Einschätzung, z.B. bei Bewerbern mit Behinderungen.

Mit Strategie ins Bewerbungsgespräch

Um herauszufinden, ob ein Bewerber sowohl fachlich als auch menschlich zu Ihrem Unternehmen passt, bieten sich die folgenden Strategien und Methoden im Bewerbungsgespräch an:

Fachliche Eignung

Praxisbezogene Aufgaben
Geben Sie dem Bewerber eine Fallstudie oder eine reale Aufgabe, die er im Gespräch lösen soll. Dies zeigt, wie er seine Fähigkeiten in der Praxis einsetzt.

Technisches Fachgespräch
Stellen Sie vertiefende Fragen zu relevanten Fachgebieten, um sein Wissen und seine Erfahrung zu überprüfen.

Erfolgsgeschichten und Misserfolge
Lassen Sie den Bewerber von vergangenen Projekten und Herausforderungen erzählen. Dies gibt Ihnen Einblicke in seine Arbeitsweise und Problemlösungsfähigkeiten.

Referenzprojekte
Bitten Sie den Bewerber, Beispiele oder Portfolio-Arbeiten vorzulegen, die seine Fachkompetenz belegen.

Menschliche Eignung

Kulturelle Passung
Erörtern Sie die Unternehmenswerte und -kultur und fragen Sie den Bewerber, wie er diese wahrnimmt und ob er sich damit identifizieren kann.

Teamwork und Kommunikation
Stellen Sie Fragen zu früheren Erfahrungen in Teams und lassen Sie den Bewerber seine Rolle und Interaktionen beschreiben.

Emotionale Intelligenz
Beobachten Sie, wie der Bewerber auf Fragen zu Konflikten, Stress und Feedback reagiert. Dies gibt Aufschluss über seine Empathie und Selbstregulation.

Probearbeiten oder Schnuppertag
Laden Sie den Bewerber zu einem Schnuppertag ein. So können Sie sehen, wie er sich im Team verhält und wie er mit den täglichen Aufgaben zurechtkommt.

Peer-Interviews
Lassen Sie den Bewerber Gespräche mit potenziellen Kollegen führen. Das Feedback des Teams kann wertvolle Hinweise auf die menschliche Passung geben.

Fehlbesetzungen haben Folgen

Natürlich wissen Sie, wie wichtig eine sorgfältige und strukturierte Personalauswahl ist, um kostspielige Fehlbesetzungen zu vermeiden. Wir erleben es immer mal wieder, welche Konsequenzen Fehlbesetzungen haben, sowohl auf operativer als auch auf strategischer Ebene, angefangen bei der Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters. War er oder sie doch die falsche Wahl, entstehen Kosten, ist Zeit verloren gegangen und die Motivation der Kollegen leidet darunter. Zudem müssen Sie den Rekrutierungsprozess mit all seinem Geld- und Zeitaufwand neu starten.

Beeinträchtigung des Arbeitsklimas

Ein Mitarbeiter, der nicht zum Team passt, kann die Teamdynamik stören und Spannungen verursachen. Dies kann das Arbeitsklima belasten und die Motivation der anderen Mitarbeiter senken. Im schlechtesten Fall kann eine Fehlbesetzung dazu führen, dass andere qualifizierte Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, weil sie mit der Situation unzufrieden sind.

Ist der neue Mitarbeiter fachlich unqualifiziert, macht er meist Fehler, die zu Qualitätsmängeln oder Verzögerugnen führen. Dies kann Nacharbeiten erfordern, zusätzliche Belastungen auslösen und die Kundenzufriedenheit beeinträchtigen. Die ineffiziente Arbeit eines ungeeigneten Mitarbeiters kann Projekte verzögern und langfristige Ziele des Unternehmens gefährden (Reputationsverlust).

4. Entscheidung

Zeit für eine gute Entscheidung

Nachdem die Bewerbungsphase, die Vorauswahl und die Gespräche abgeschlossen sind, steht die wohl wichtigste Phase des Auswahlprozesses an: die Personalentscheidung. Ein strukturiertes Vorgehen und klare Kriterien helfen Ihnen, eine fundierte und nachhaltige Personalentscheidung zu treffen.

Sammeln und analysieren Sie die internen Bewertungsbögen mit den Einschätzungen und Eindrücken aller Beteiligten, um einen möglichst objektiven Überblick zu gewinnen. Kommen mehrere Bewerber in die engere Wahl, vergleichen Sie die Bewerber hinsichtlich der vorher festgelegten Kriterien.

Ein Punkt, den wir immer wieder anregen, ist das Einbeziehen des (zukünftigen) Teams in den Auswahlprozess. Holen Sie deren Feedback ein. Das Team kann wertvolle Einblicke geben, die Sie in Ihre Entscheidung mit einfließen lassen sollten. Fördern Sie eine offene Diskussion im Entscheidungsgremium, um verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen. Ein Konsens innerhalb des Teams stärkt die Akzeptanz der Entscheidung.

Wir haben zu Beginn schon unsere Erfahrung mit den Must-have und Nice-to-have Anforderungen erläutert. Besonders bei der Personalentscheidung sollte dies mit einfließen. Ein Kandidat, der lernbereit und anpassungsfähig ist, kann sich schnell in die Rolle einfinden und langfristig eine Bereicherung darstellen. Gleichzeitig wägen Sie Risiken ab, wie z.B. fehlende Erfahrungen, kulturelle Differenzen oder Unsicherheiten hinsichtlich der Teamdynamik.

Neben den objektiven Kriterien, sollte Sie auch Ihr Bauchgefühl nicht komplett außer Acht lassen. Häufig gibt Ihnen Ihre Intuition wertvolle Hinweise, die rationale Überlegungen ergänzen können. Reflektieren Sie aber auch, ob Ihre Intuition wirklich auf fundierten Beobachtungen basiert oder durch unbewusste Biases beeinflusst ist (siehe Verzerrungen).

Nehmen Sie sich auf jeden Fall Zeit. Die finale Wahl für einen Kandidaten sollte immer gründlich und gewissenhaft erfolgen.

Finale Abstimmung

Ein Tipp aus der Praxis vieler Unternehmen, die wir in der Personalauswahl beraten: Wenn die Entscheidung im Team getroffen wurde, halten Sie die Begründung schriftlich fest. Diese Dokumentation hilft bei späteren Reflexionen und sichert die Transparenz im Prozess.

Informieren Sie den ausgewählten Kandidaten zeitnah und wertschätzend. Gleichzeitig sollten Sie den abgelehnten Bewerbern eine professionelle Absage zukommen lassen und ihnen für ihre Zeit und Mühe danken.

Zum Schluß: Großartig, wenn Sie bereits viele der beschriebenen Punkte in Ihrer Personalauswahl berücksichtigen. Wenn Sie eigene Methoden oder wertvolle Erfahrungen in der Personalauswahl haben, freuen wir uns über Ihre Rückmeldung, Fehlen Ihnen wichtige Impulse oder Informationen? Sprechen Sie uns an, gern ergänzen wir unseren Beitrag.

Zusammenfassend kann man sagen, dass eine wohlüberlegte und strukturierte Entscheidung den Grundstein für den langfristigen Unternehmenserfolg legt und eine harmonische Zusammenarbeit im Team erleichtert.

Sie wünschen Unterstützung bei der Vorbereitung und/oder qualifizierten Vorauswahl der Kandidaten? Sprechen Sie uns an. Seit fast 10 Jahren erzielen wir für unsere mittelständischen Kunden ein optimales Matching Ihrer Anforderungen mit den Kandidatenprofilen und eine spürbare Entlastung Ihrer Personalabteilung.

Zum Weiterlesen

Workwise Beitrag, August 2024
Personalauswahl – so triffst du die richtige Entscheidung

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Leitfaden für Personalauswahlverfahren (PDF)

 

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